Treibhaus der Träume
meterlange Gerüstleitern allein auf seinen Schultern trug. »Ich bin ein Prolet trotz meiner Millionen. Und ich liebe meine Tochter. Ich stelle Sie vor die Wahl: Entweder Ilse – oder Kündigung der eineinhalb Millionen – oder: Sie gehen einfach weg, dorthin, woher Sie wie ein Komet gekommen sind, und hier geht alles weiter wie bisher. Die Mädels werden sich schon wieder vertragen, wenn Sie erst mal weg sind. Seit Sie hier sind, ist die Harmonie gestört. Verdammt, das wird überhaupt am besten sein: Gehen Sie! Still und unauffällig. Und je weiter weg, um so besser. Ich mache Ihnen ein gutes Angebot: Ich gebe Ihnen Kapital zur Auswanderung. In Australien, in Kanada und in Neuseeland braucht man gute Ärzte.« Der alte Patz sah Dr. Lorentzen hart an. »Hoffen Sie nicht auf Steegert. Er ist nicht in der Lage, eins Komma fünf Millionen flüssig zu machen. Er löst Sie nicht aus. Er kann einfach nicht. Was haben Sie also vor?«
»Ich möchte es mir überlegen.« Die Stimme Lorentzens war belegt. Seine alte Tragik, die er überwunden glaubte, ergriff ihn wieder: Was er anfaßte, endete in einer Katastrophe.
»Bis Ende der Woche. Ich wohne in St. Hubert im Kur-Hotel.«
»Sie lassen mir keine Wahl.« Lorentzen atmete tief auf. »Es wird besser sein, wenn ich gehe.«
»Nach Kanada?«
»Irgendwohin. Ihre Hilfe brauche ich nicht.«
»Stolz ist Dummheit! Nur Idioten lehnen Geld ab!«
»Dann betrachten Sie mich als Idiot. Vielleicht bin ich wirklich einer.« Dr. Lorentzen ging zur Tür und stieß sie auf. Der alte Patz verstand. Er wurde rot, zögerte, stand dann auf und ging. Noch war Lorentzen der Hausherr.
In der Halle blieb der alte Patz stehen.
»Sie haben mich hinausgeworfen«, sagte er gepreßt zu Lorentzen. »Das ist mir in meinem Leben nur einmal passiert. Bei meinem Schwiegervater. Ich habe das gerächt: Ich habe ihn zur Pleite getrieben. Bei Ihnen schaffe ich das auch.«
»Sicherlich.«
Dr. Lorentzen sah kalt an Patz vorbei.
»Sie sind wirklich ein Idiot!«
Der alte Patz riß die Eingangstüre auf. Noch einmal zögerte er, aber dann schüttelte er den Kopf und rannte zu seinem Wagen.
In dieser Nacht wanderte Dr. Lorentzen durch seine Klinik. Immer und immer wieder. Von Etage zu Etage, treppauf, treppab. Im Zimmer der Baronin von Durrhaus, wo Dicki wieder mit seinem Luftkissen angerückt war, herrschte Katastrophenstimmung. Es war schon bald Morgen, und noch immer geisterte Lorentzen durch das Gebäude. »Du mußt aus dem Fenster springen«, stammelte die Baronin und umklammerte Dicki, der schon auf der Fensterbank hockte. »Wie tief ist es?«
»Sechs Meter.«
»O Gott, o Gott! Du brichst dir die Knochen.«
Kurz vor dem Eintreffen der Putzfrauen um 6 Uhr früh hörte die Wanderung Lorentzens auf. Dicki entwich aus dem Zimmer der Baronin, stellte sich unter die kalte Dusche und empfing die Putzfrauen mißgelaunt und grau im Gesicht.
»Ein Traum geht zu Ende«, sagte Lorentzen leise an diesem Morgen in seinem Sprechzimmer. Er sah ein Bild, das Marianne geschossen hatte: Chefarzt Dr. Lorentzen im weißen Mantel im Garten seiner Klinik. »Vielleicht ist es mein Schicksal, an den Vätern zu scheitern …«
Er hatte sich in dieser Nacht entschlossen, wegzugehen.
Die Klinik stand. Es gab genug gute Chirurgen, die sie übernehmen konnten. Ein großes Werk darf nicht an einem einzigen Menschen hängen.
Wohin? dachte er. Nach Paris? Nach New York? Nach San Franzisko? Nur weit weg von Deutschland; weg aus den Augen der Väter Heberach und Patz.
Und dann kam plötzlich neue Kraft in ihm empor, und er sagte laut: »Nein! Nein! Nein! Ich gehe nicht!« Und er hieb auf den Tisch und ballte die Fäuste und dachte sich hunderterlei Möglichkeiten aus. Nur eine Hürde übersprang er nicht bei allen Theorien von Widerstand: Die 1,5 Millionen, die der alte Patz gegeben hatte.
An ihnen zerbrach schließlich aller Widerstand.
Auf der Schönheitsfarm roch man die dicke Luft.
Frau Nitze und Frau Haut, empfänglich für allen Klatsch, hatten es schnell erfahren: Die Chefinnen sind sich spinnefeind wegen Dr. Lorentzen. Scharfe Augen beobachteten es stündlich: Die beiden Mädchen gingen aneinander stumm vorbei. Sie aßen getrennt. Sie verließen das Zimmer, wenn die andere eintrat. Sie verkehrten in Fragen der Stundenpläne nur noch schriftlich. Die Kosmetikerin Ellen mußte die Briefchen herumtragen. Von ihr wußten es dann alle Damen gegen ein dickes Trinkgeld.
»Er ist ja auch ein herrlicher Mann!« sagte Frau
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