Treibhaus der Träume
ergriff einen Aschenbecher, der neben ihm auf dem Nachttisch stand, und warf ihn nach Dicki. Nur durch eine zackige Wendung konnte sich Dicki aus der Schußrichtung bringen und rannte zur Tür. Mit aller Kraft donnerte er sie zu und wischte sich dann auf dem Flur über die Stirn.
»Den werde ich mir merken«, sagte er dumpf. »Freundchen, du kennst den Adam noch nicht. Mit dir exerziere ich noch. Du wirst schon merken, wer der wichtigste Mann in der Klinik ist.«
Wütend stampfte Dicki nach unten. Dabei beschloß er, jede Minute seiner Freizeit dem neuen Patienten zu widmen.
Die völlige Abgeschiedenheit war für Hans Bornemann dahin …
Wie geplant und geübt, so rollte auf der Schönheitsfarm die ›Versuchung des heiligen Lutz‹ – wie Frau Haut es nannte – ab. Die Kosmetikerin Lore war es, die die Schreckensbotschaft zu Marianne Steegert brachte: »Frau Domplatz ist plötzlich erkrankt. Sie liegt im Bett, stöhnt und kann sich vor Schmerzen kaum bewegen. Sie hat Stiche in der Brust und atmet röchelnd. Eine Bronchitis, sagt sie.«
»Aber das ist doch unmöglich.« Marianne unterbrach eine Ozonbehandlung im Kellerraum 5. »Sie hat gestern noch geturnt und mit Appetit gegessen.«
Im Zimmer von Frau Domplatz waren bereits Frau Haut und Frau Nitze versammelt und empfingen Marianne mit trauriger Miene. Klara Domplatz lag bleich in den Kissen, rasselte beim Atmen und griff sich, zusammenzuckend, bei jedem zweiten Atemzug an die Brust.
»Was machen Sie denn für Sachen, Frau Domplatz?« sagte Marianne, setzte sich ans Bett und ergriff die schlaffe Hand der Kranken. Sie war kühl, und der Puls, das fühlte Marianne sofort, war normal. »Fieber haben Sie nicht.«
»Nein. Oh, ich kenne das. Das ist bei mir immer so. Stiche beim Atmen, Röcheln in der Lunge, aber Untertemperatur. Ich habe eine seltene, aber gefährliche Form der Bronchitis, sagt mein Arzt in Xanten.«
Klara Domplatz spielte ihre Rolle vorzüglich. Frau Haut und Frau Nitze unterstützten sie. Sie wichen wie in einer griechischen Tragödie mit wehenden Gebärden zurück.
»Ist es ansteckend?!« rief Frau Nitze mit spitzer Stimme. »O Himmel, wir werden alle krank werden! Eine Epidemie …«
Marianne sprang auf. »Es besteht überhaupt kein Anlaß zur Besorgnis«, sagte sie. Das Wort Epidemie lag ihr zentnerschwer auf der Seele. Sie wußte, was daraus entstand, wenn es durch die Farm flog. Abreisen. Panik. Hysterische Flucht der Frauen. »Ich werde sofort Doktor Lorentzen herüberbitten. Er wird es bestätigen.«
Frau Haut und Frau Nitze sahen sich schnell an. Los geht's! Der Köder war gut … in zehn Minuten zappelt der Fisch an der Angel.
Marianne rannte aus dem Zimmer, um vom Büro aus über die direkte Leitung Lorentzen anzurufen. In der Halle traf sie auf Ilse Patz, die aus der Turnhalle kam, in einem engen Trikot, mit aufgelösten Haaren. Ein schwarzer Panther.
»Wir haben die Bronchitis im Haus!« rief Marianne. »Wenn dich jemand fragen sollte, bagatellisiere es! Du weißt, wie viele Hypochonder wir haben! Wenn einer niest, haben die anderen gleich eine Lungenentzündung!«
Ilse gab keine Antwort, sondern ging weiter in ihr Zimmer. Sie gab nicht einmal zu verstehen, ob sie Mariannes hastige Worte begriffen hatte. Mit einem Knall schlug sie die Tür zu.
Im Zimmer saßen wieder Frau Haut und Frau Nitze auf dem Bett von Klara Domplatz und redeten auf sie ein:
»Also, nicht vergessen … Siegeszeichen: Biß ins Ohrläppchen«, kicherte Frau Nitze wie ein dummes kleines Mädchen. »Am besten kann man es, wenn er sich über die Brust beugt. Dann schnell die Hände vor, den Kopf umklammert, herangezogen und – schwupp.«
Klara Domplatz nickte. Ihre Kehle war jetzt wie zugeschnürt. Sie machte so etwas zum erstenmal. Bisher war der Arzt eine unantastbare Person gewesen. Was sie jetzt erlebte, überstieg ihr Können. »Ich habe einen ganz heißen Kopf«, stotterte sie.
»Um so besser!« Frau Haut klatschte in die Hände. »Das unterstreicht die Wahrheit der Krankheit.«
»Ich habe auch Halsschmerzen.«
»Die Erwartung, meine Beste! Ihre Hormone jubilieren. In zehn Minuten juckt's in allen Gliedern. Ich kenne das.«
Klara Domplatz kannte es nicht. Sie hatte einfach Angst.
»Es ist gemein, was wir tun«, sagte sie heiser.
»Ein bißchen Abwechslung in diesem öden Laden.« Frau Nitze rannte zum Fenster und sah hinaus auf den Weg zur Klinik. »Glauben Sie, unsere Männer sitzen trübsinnig vor ihrem Bier, während wir uns hier
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