Treibjagd - Unzensiert im Doppelpack (German Edition)
Augen an. Ich hatte Glück, es war eine Zwei-Mann-Zelle, in der eindeutscher Drogendealer einquartiert war. Es hätte mich auch anders treffen können, denn es gibt Zellen, in denen bis zu fünf Sträflinge jeglicher Nationalität auf engstem Raume miteinander „wohnen“. Dennoch wirkte alles wie ein böser Traum, und ich benötigte einige Tage, um mich überhaupt mit dieser neuen Situation abzufinden. Ich fand mich in einer „irrealen“ Umgebung wieder: enge Räume, schmale Gänge, wenig Licht und keine frische Luft. Die Zeit dehnt sich wie Gummi, und nichts passiert. Man ist total abgeschottet und befindet sich in einer völlig anderen Welt. Aufgrund der Tatvorwürfe gegen mich und der damit verbundenen Verdunkelungsgefahr – in meinem Fall der Gefahr des Einwirkens auf die Zeugin Pfahl (mittels einer Autobahnbrücke) – durfte ich mit niemandem telefonieren oder gar persönlich sprechen. Jeglicher eingehender oder ausgehender Brief wurde vom Gericht geöffnet und gelesen. Der Einzige, mit dem ich reden durfte, war mein Rechtsanwalt Herr Ahrend. Es dauerte eine ganze Woche, bis ich ihn das erste Mal telefonisch in Ruhe sprechen durfte. Er war bereits tätig geworden, hatte Ausarbeitungen gefertigt und einen Haftprüfungstermin beantragt, der eine Woche später anstand. Ich hatte mich bis dahin mit der Umgebung zu arrangieren. Der Dortmunder Knast gilt – einfach ausgedrückt – als Endstation. Der Bau ist mittlerweile 107 Jahre alt, und das sieht man ihm auch von innen an. Ich musste immer schmunzeln, wenn ich im Fernsehen Reportagen über andere Gefängnisse sah. Verglichen mit dem Dortmunder Knast waren das wahre Erholungsheime. In Dortmund ist man 23 Stunden am Tag in seiner Zelle eingeschlossen. Die Zellen sind alt und karg. Als Schlafstelle dient ein Stahlrahmenbett mit einer dünnen Schaumstoffmatratze. Als Bettzeug muss ein dünnes Deckchen genügen. Ein vergittertes Fenster befindet sich in einer Höhe von fast zwei Metern, so dass man selbst im Stehen nicht hinaussehen kann. Das schafft man nur, wenn man sich auf das Bett stellt. Nun fällt der Blick auf einen kleinen Gefängnisinnenhof, auf dem die tägliche Freistunde stattfindet. Ansonsten sieht man den Himmel und hohe Mauern. Beinahe rund um die Uhr schreien die Häftlinge meist in ausländischen Sprachen von Fenster zu Fenster über den Hof. Am schlimmsten war eineGruppe von Libanesen, die sich mittels eines „Heulgesanges“ unterhielt. Ich folgte einem fast zweistündigen „Dialog“, der sich ungefähr so gestaltete:
„Du Hund!“
„DU Hund!“
„Du Schwanz!“
„DU Schwanz!“
„Ich geb dir mein Schwanz!“
„Du Hundesohn!“
„Ich habe einen größeren Schwanz!“
Sie bemerken, überaus niveauvoll. Untermalt wird das Stimmgewirr von orientalischen Liedern oder aktueller Discomusik. Es geht zu wie auf einem Basar. Bereits am ersten Tag drängte ich auf einen kurzen Termin beim Sozialarbeiter. Hier konnte ich auch kurz mit Rechtsanwalt Ahrend telefonieren. Der Anstaltsarzt hingegen war ein Pflichttermin. Er untersuchte und vermaß mich schnell: 1,82 Meter und 114 Kilogramm, so die Werte zu Beginn meiner U-Haft. Die ersten Tage lag ich nur auf meinem Hochbett, schlief beinahe pausenlos. Wann immer ich wach war, las ich. Die Bibliothek hatte glücklicherweise eine gute Auswahl an Büchern. Da mir jeglicher Appetit fehlte, aß ich tagelang nichts, ernährte mich wochenlang fast nur von „Wasser und Brot“. Mein erster Einkauf bestand Wochen später aus fünf Beutel Apfelsaft und einem Deo-Roller. Ich trug bei meiner Festnahme 7,42 Euro bei mir, die auf meinem Gefängniskonto gutgeschrieben worden waren. Irgendwann erhielt ich die Durchschrift des Protokolls der Durchsuchungen meiner und Ankes, sowie der an Sorena vermieteten Wohnung und meines Pkw. PCs, Festplatten, Kleidung, Munition, Digitalkameras, Navigationsgerät, Unterlagen, Kontoauszüge, Aktenordner … alles wurde mitgenommen. Zum ersten Mal bekam ich jetzt auch einen vollständigen Überblick der Anklagepunkte gegen mich. Es liefen Ermittlungsverfahren wegen erpresserischen Menschenraubs, versuchter bewaffneter räuberischer Erpressung, Zuhälterei, illegalen Waffenbesitzes, Drogenhandels undGeheimnisverrats. Bei einer möglichen Verurteilung ergaben diese Anklagepunkte locker an die 15 Jahre. Die Nutte und ihr Zuhälter schienen ihrer Fantasie freien Lauf gelassen zu haben, was für die lauernden „Kollegen“ natürlich ein gefundenes Fressen gewesen war. Sie
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