Treibland
saßen und die Enten fütterten, vielleicht ein paar Studenten, die mit Kopfhörern joggten und nach innen blickten.
Kenwick überquerte die Straße und ging in Richtung Parkeingang. Die Senyora warf ihre Zigarette auf den Boden und folgte ihm, ohne sie auszutreten. Dieser Teil war einfach, anspruchslos: Niemand fühlte sich verfolgt von einer Frau wie ihr. Sie machte kleine, schüchterne Schritte, etwas langsamer als er, damit der Abstand zwischen ihnen sich vergrößerte. Auf der anderen Seite des kleinen Sees war ein halbverfallenes Haus, das einmal vom Grünflächenamt genutzt worden war und jetzt mit vernagelten Fenstern leer stand. Kenwick würde auf dem Parkweg in etwa zwei Minuten daran vorübergehen.
Sie sah, wie er auf der anderen Straßenseite tatsächlich im Park verschwand, überquerte ebenfalls die Straße und ging etwa zweihundert Meter zwischen Wiese und Park entlang, schnell, mit fließenden, gleitenden Bewegungen, fast ohne die Füße zu heben. Sie schien zu schweben. Kenwicks Anorakfarbe wischte durchs Gebüsch. Die Senyora beschleunigte noch einmal und bog dann so in den Park, dass sie, als sie auf den Weg traf, etwa hundert Meter vor ihm ging. Durch Blätter, Stämme und Äste sah sie das verlassene Gebäude, ein kleines viktorianisches Gemäuer mit einer Grundfläche von etwa vierzig Quadratmetern, exaltierten Türmchen und schwarzen Plastikplanen, die vom Dach im Abendwind flatterten. «Danger! Do Not Climb On Roof!» stand auf einem weißroten Plastikschild, das mit Kabelbindern an einem schmiedeeisernen Zaun befestigt war. Der Zaun erstreckte sich über die Breite der Frontseite des Hauses, an den Seiten aber war das kleine Grundstück offen. Zur Rückseite ging es hinter einem verfallenen Holzzaun über in das Gebüsch und Gestrüpp des Parklandes. Die Fenster des Hauses waren mit Sperrholz und gestanzten Blechplatten vernagelt. Es sah nicht unheimlich aus in der untergehenden Abendsonne, sondern einfach nur langweilig: etwas, das einmal leidlich schön gewesen und jetzt bedeutungslos war, weil niemand Geld hatte, um an seine Zukunft als Nachbarschaftsheim, Parkwächterhaus oder Museum zu glauben.
Zwischen ihr und Kenwick lag eine Wegbiegung, und die Senyora nutzte die zwei, drei Sekunden, in denen sie für ihn unsichtbar war, um auf dem Gelände des verlassenen Gebäudes zu verschwinden. Sie ging seitlich daran vorbei bis zu einem abgerissenen Backsteinanbau, von dem nur noch Reste einer Wand zum Weg standen. Mit einem Blick überzeugte sie sich davon, was sie gestern gesehen hatte: ein betonierter Boden, darauf Teile eines versteinerten Dachfirsts, die verkohlt aussahen, als hätte hier jemand ein Feuer gemacht. Sie vermutete, dass einmal der Blitz eingeschlagen war in dieses Haus, vielleicht vor Jahren der Anfang von seinem Ende. Sie atmete langsam aus und zählte bis zwölf. Dann überquerte sie das etwa vier Meter breite Betonfundament hinter der übriggebliebenen Anbaumauer, ging um diese herum und sah in Richtung Parkweg. Alles, was sie geplant hatte, ging in Erfüllung wie ein kostbarer Traum. Kenwick ging über den Parkweg, er hatte das verlassene Haus fast erreicht, und außer ihm waren nur noch zwei Joggerinnen zu sehen, die etwa hundert Meter entfernt auf einer Wiese stretchten und sich dabei offenbar unterhielten.
«Sir! Excuse me, sir!», rief die Senyora, ohne ihre Stimme wirklich zu heben. Rufen war keine Frage der Lautstärke, mehr eine von Entschlossenheit in der Körpersprache. Sie sah, dass Kenwick in ihre Richtung blickte und seinen Schritt ein wenig verlangsamte, unentschlossen noch.
«Sir, I need your help, please», sagte sie und ging einige Schritte in seine Richtung, damit er sehen konnte, dass ihr Pullover modisch und ihr Hosenanzug teuer war: Keine Immigrantin, die ihm Probleme machen würde mit einer rührseligen Geschichte oder wirren Geldproblemen, sondern eine Frau, die sich die hiesige Höflichkeit zu eigen gemacht hatte und ihn nur höchst ungern belästigte, die schwere Sonnenbrille fast jugendlich ins schwarzbraune Haar geschoben.
«Yes», sagte er mit der Stimme eines Mannes, der den ganzen Tag mit niemandem geredet hatte. «What appears to be the problem?»
Die Senyora drehte sich halb in Richtung des verfallenen Hauses um und setzte sich in Bewegung, wobei sie undeutlich über die Schulter etwas sagte. Dass sie nicht zu verstehen war, darauf legte sie Wert, ebenso darauf, zuversichtlich und ratlos zugleich zu klingen. Sie arbeitete immer mit dem,
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