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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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verlegen, als hätte er Angst, sich aufzudrängen, Wilken Peters von der Gesundheitsbehörde. Wobei er sie nur an den zusammenhang- und daher fast alterslosen Halbovalen ihrer Gesichter oberhalb der Atemmasken erkannte, denn sie trugen die gleiche Schutzkleidung, die er fahrlässigerweise aufgerissen hatte.
    Oder die mir, während ich schlief, jemand mit Absicht aufgeschnitten hat, um mich hier an Bord zu halten?, dachte er zum ersten Mal, während er seinen Besuch einsortierte.
    «Wir geben Ihnen mal nicht die Hand», sagte Peters, und seine Augen lächelten entschuldigend. Tülin Schelzig sah aus, als wäre sie von allein sowieso nicht auf die Idee gekommen, ihm die Hand zu geben. In ihrer hatte sie einen sehr großen To-go-Kaffeebecher, den sie offenbar aus der Außenwelt mitgebracht hatte. Danowski wurde von einer Welle der Rührung überspült, weil ihn endlich jemand besuchte und ihm sogar Kaffee mitbrachte.
    «Das ist aber nett», sagte er und streckte die Hand gierig nach dem Kaffee aus. Tülin Schelzig bekam sofort wieder diesen Keine-Witze-Ausdruck, und ihm wurde klar, dass sie sich den Kaffee selbst mitgebracht hatte. Sie sah sich hilfesuchend oder irritiert zu Peters um, der in diesem Moment etwas tat, wofür Danowski ihm für den Rest seines Lebens oder zumindest den Rest des Tages dankbar sein würde. Er machte mit seinen Augen eine abwärtsrollende Zeigebewegung, die ganz klar signalisieren sollte: Jetzt geben Sie dem armen Mann endlich Ihren verdammten Kaffee, ist ja nicht zu fassen hier.
    Schelzig gab ihm den Becher, als hätte man ihr was weggenommen, und Danowski nickte dankbar. Bevor er einen Schluck trank, sagte er: «Ich würde Sie reinbitten, aber hier ist wirklich wenig Platz.»
    «Haben Sie hier irgendwo einen ruhigen Ort? Wir müssen was mit Ihnen besprechen», sagte Schelzig mit leeren Händen.
    «Vielleicht wollen Sie sich erst mal was anziehen», sagte Peters und fügte dann hinzu, mit leicht satirischem Unterton: «Untenrum.»
    Danowski zuckte die Achseln, während er auf den Gang trat und die Kabinentür hinter sich schloss. «Das ist eine sehr entspannte Kreuzfahrt», erklärte er. «Die Leute tragen hier alles Mögliche. Überdecken, Kissenbezüge, hier geht alles.»
    «Woher kommt das Blut in Ihrem Gesicht?», fragte Schelzig.
    «Das ist mein eigenes», sagte er.
    «Sie wissen, dass Sie sich durch derartige Verletzungen einem erhöhten Infektionsrisiko aussetzen.»
    «Ich werde mich daran erinnern, bevor ich das nächste Mal die Treppe hinunterfalle», sagte er ärgerlich, keineswegs interessiert daran, den beiden Gesundheitsexperten von dem Angriff zu erzählen.
    «Ausgerutscht?», fragte Peters besorgt.
    «Ja, alles rutschig hier im Morgentau.»
     
    Sie gingen in den «Klabautermann», und sobald seinen Gästen klarwurde, dass man hier nichts bestellen konnte, sahen sie einander an, als hätten sie noch nicht vereinbart, wer von ihnen jetzt als Erstes sprechen würde.
    «Ich freue mich jedenfalls über den Besuch», sagte Danowski.
    «Haben Sie alles, was Sie brauchen?», fragte Peters, offenbar dankbar über den Aufschub des eigentlichen Themas.
    «Sehe ich so aus?», fragte Danowski.
    «Gibt es irgendwas, das wir Ihnen schicken oder nächstes Mal mitbringen können?», fragte Peters.
    «Eine ganze Menge», sagte Danowski.
    «Das widerspricht den Quarantänevorschriften», sagte Schelzig mit einem unwirschen Seitenblick auf Peters. «Der Kontaminationsraum muss möglichst im Ursprungszustand gehalten werden, damit die Parameter nicht verfälscht werden und am Ende womöglich die Quellensuche erschwert oder unmöglich gemacht wird.»
    «Die Quelle haben wir ja nun schon lange», widersprach Peters.
    «So sind nun mal die Regelungen.»
    «Außer, Sie bringen sich den Kaffee mit.»
    «Handyladegeräte, Wechselsachen, Toilettenartikel und was zu lesen wären gut», sagte Danowski, um Small Talk gegen die Schärfe in Schelzigs Stimme zu machen.
    «Kristina Ehlers von der Rechtsmedizin hat sich infiziert», unterbrach ihn Schelzig. Peters seufzte hinter seinem Mundschutz.
    «Wie bitte?», sagte Danowski und merkte, dass er kein bisschen überrascht war.
    «Sie ist mit voll ausgebrochenem Krankheitsbild quer durch die Stadt gefahren», berichtete Peters, bemüht, jeden dramatischen Unterton aus seiner Stimme zu filtern, und dabei nicht besonders erfolgreich. «Mit der U-Bahn.»
    «S-Bahn», korrigierte Schelzig halblaut.
    «Bis zum Eingang vom Tropeninstitut», fuhr Peters fort, und

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