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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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und dann gleich wieder rauf. Wer ihm dieses sinnlose Manöver nachmachte, war vermutlich wirklich hinter ihm her.
    Er setzte den Blinker und fuhr in Marmstorf von der A 7 . Da die Ausfahrtkurve relativ lang und eng war, konnte er im Rückspiegel erst mal niemanden hinter sich entdecken. An der Bundesstraße in Marmstorf war zwischen der Ab- und Auffahrt ein großes Gartencenter. Finzi erinnerte sich, dass man hier für außerordentlich wenig Geld frühstücken und Kaffee trinken konnte. Planänderung. Nachdem er fünfzig Meter auf der Bundesstraße gefahren war, blinkte er links und fuhr auf den Parkplatz des Gartencenters. Weil es vormittags und unter der Woche war, hatte er die freie Auswahl. Er stellte sich in die Nähe des Haupteingangs, zog den Schlüssel ab und sah, wie der silberne Polo etwa zehn, zwölf Plätze von ihm entfernt in der Nähe eines Einkaufswagen-Unterstands parkte.
    Niemand stieg aus. Außer ihm und dem silbernen Polo waren nur noch vier oder fünf andere Autos auf dem Parkplatz. Finzi seufzte und schlug die Tür zu. Hingehen und an die Scheibe klopfen? Folgen Sie mir, was soll das? Ach, anstrengend. Und im Zweifelsfall hatte, wer immer im Polo saß, sich auf diese Frage vorbereitet und würde ihm irgendeine freche und wertlose Antwort geben. Außerdem war es interessanter, einfach abzuwarten, was passieren würde. Darauf, dass der Verfolger seine Absichten zu erkennen gab. Und es gab immer noch die Chance, dass er sich das alles nur einbildete. Silberne Polo gab es viele, und Mietwagen aus « SHG » auch.
    Finzi lief durchs Gartencenter Richtung Cafébereich und atmete die grüne, drückende Luft in der Halle. Er ließ sich einen Becher Kaffee zapfen, erlöste ein Hackepeterbrötchen, das sich in der Auslage krümmte, und ging ins Freie, wo man unter einem Vordach mit Blick auf einen leblosen Rasen und die scheinbar endlose weiße Außenwand auf Korbstühlen sitzen und rauchen konnte. Sobald er saß und nicht rauchte, wurde ihm klar, dass er eigentlich Adam anrufen müsste. Okay, Adam meldete sich auch nicht, aber Adam hatte kaum Akku, Adam war gefangen und einsam, und da war es das Mindeste, dass seine Freunde ihn anriefen.
    Natürlich könnte er ihn auch endlich besuchen: die Sondergenehmigung von der Bundespolizei, der Gesundheitsbehörde und der Reederei konnte er sich zusammentelefonieren. Mit ein bisschen Geschick würde sie in einer Stunde für ihn am Cruise Center Terminal bereitliegen, und er müsste nur von der A 7 die richtige Ausfahrt nehmen, um Adam noch heute Mittag gegenüberzusitzen.
    Aber die Wahrheit war, dass Finzi Angst vor Schiffen hatte. Er war in Hamburg aufgewachsen, aber die Seefahrt hatte ihn immer abgeschreckt. Sein Großvater war im U-Boot-Krieg gefallen, was viel schöner klang, als zu sagen, dass er erstickt und danach zerquetscht worden war. Seine Großmutter war die Art von Hamburgerin gewesen, die «Wasser hat keine Balken» sagte und nicht gern in die Nähe der Elbe ging. Vor allem aber stellte Finzi sich das Leben an Bord eines Kreuzfahrtschiffes, das unter Quarantäne stand, als organisierten Trübsinn vor. Und er ahnte: Wenn es eine Art von Atmosphäre gab, die ihm wieder Lust aufs Trinken würde machen können, dann wäre es genau das, organisierter Trübsinn. Nicht, dass er befürchtete, an Bord oder unmittelbar danach rückfällig zu werden, aber er stellte sich vor, dass allein der Kontakt mit einer derartigen Atmosphäre ihn beim nächsten Mal noch empfänglicher dafür machen würde und beim übernächsten Mal wiederum noch einmal mehr, bis er irgendwann wieder genug Rezeptoren hatte, die organisierten Trübsinn automatisch mit dem Wunsch nach einem Ende davon aus der Flasche verbanden.
    Er nahm einen Schluck aus dem Kaffeebecher, verzog das Gesicht und griff mit dem gleichen Gefühl zum Diensttelefon. Adam war seine erste Nummer in der Kurzwahl. Es dauerte bis kurz vor die Mailbox, bevor er ranging.
    «Hey», sagte Adam, fast zärtlich.
    «Selber hey», sagte Finzi verlegen, als würde er einen Kranken anrufen, von dem alle wussten, dass es schlecht um ihn stand, aber pro forma musste man noch mal nachfragen.
    «Ich hab geschlafen», sagte Danowski.
    «Irgendwas Neues von wegen Ladegerät oder so?»
    «Ja, stell dir vor, Doktor Schelzig vom Tropeninstitut und der Mann von der Gesundheitsbehörde waren hier. Die wollen noch mal versuchen, ob es doch eine Ausnahme für mich gibt.»
    «Peters?»
    «Ja, genau.» Adam klang abwesend, nachgiebig und weich.

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