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Treibland

Treibland

Titel: Treibland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Till Raether
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halt. Erst alles abgreifen und sich dann, wenn man selber den Arsch an der Wand hat, für arme Schweine engagieren. Damit man was zu erzählen hat beim Golf.»
    «Oder beim Polo», säuselte Adam. «Oder beim Touareg. Tiguan. Touran. Sharan.»
    «Okay, Adam», sagte Finzi mit dem Gefühl, etwas Gutes, aber Sinnloses getan zu haben, «leg dich mal wieder hin und genieße deine Tablette. Ich ruf dich an.»
     
    Als er vor dem Gartencenter die Tür des Dienst-Mondeo öffnete, sah Finzi aus dem Augenwinkel, wie die dickliche Südländerin, die mit auf der Kaffeeterrasse gesessen hatte, mühsam einen Einkaufswagen vor sich her schob und immer wieder vom Kurs abkam, weil der Wagen schwer und ungleich beladen war. Sie steuerte auf den silbernen Polo zu, von dem er vorhin ernsthaft gedacht hatte, der hätte ihn verfolgt. Er warf die Tür wieder zu und ging über den Parkplatz. Auf halbem Weg grüßte er sie wortlos mit einem Lächeln und einem angedeuteten Winken, und er sah, wie sie stutzte und prüfend an ihm herunterblickte. Typisch ältere Türkin, dachte er und musterte ihr braun-orangenes Kopftuch: immer misstrauisch bei deutschen Männern. Was ja auch kein Wunder war. Statistisch gesehen waren die meisten Schweine und Arschlöcher in Hamburg Leute wie er: deutsche Männer.
    Er half ihr, den Wagen zum Auto zu schieben und vier Säcke Blumenerde, einen blauen Eimer, einen Silikonschlauch, eine kleine Elektropumpe, einen Klapphocker und ein paar Quadratmeter Teichfolie in den Kofferraum zu laden, wortlos und freundlich. Schön, wenn man den Platz und die Geduld dafür hatte: Teichbau.
    Als er in seinem Wagen saß, dachte er: Und genauso bescheuert wie der Gedanke, diese Frau könnte mich verfolgt haben, ist am Ende dann vermutlich auch die Idee, die Geliebte und nicht die Ehefrau könnte etwas mit dem Tod von Carsten Lorsch zu tun haben.

32 . Kapitel
    Danowski erklomm die vier Stufen zur Bühne und räusperte sich beim Gehen in Erwartung des Mikrophons. Er war innerlich gestärkt von der Nachwirkung des Beruhigungsmittels, aber äußerlich durchaus noch leicht misshandelt von seinem Treppensturz. Das Theater war höchstens zu einem Viertel gefüllt, die Menschen saßen verstreut, sodass immer leere Plätze zwischen den Paaren, Freunden oder Familien waren. Niemand hatte sich bisher die Mühe gemacht, das Licht im Saal zu dimmen: Der grauhaarige Bohemien mit seinem langen und wortspielreichen Gedicht über Spiegel hatte bei unfestlicher Beleuchtung vorgetragen wie in einem Hörsaal, ebenso die Frau mit den italienischen Liedern. Während er darauf wartete, dass die Cruise-Direktorin ihm das Mikrophon reichte, sah Danowski, dass sich vor der Bühne ein paar Kinder sammelten, deren Eltern irgendjemandem Zeichen machten. Am Rande der Bühne die vier Animateure mit ihren farbigen Afro-Perücken: rot, blau, gelb und grün.
    Talentshow, dachte Danowski. Das ist also mein Talent: Halbseidene Polizeiarbeit. In wie vielen Sprachen kriege ich das hier formuliert? Egal: Always good to do the job.
    Mit Erleichterung stellte er fest, dass ihm egal war, was ihm früher bevorgestanden hätte: wildfremde Menschen von einer Bühne aus anzusprechen. Die Cruise-Direktorin erzählte auf Deutsch und blumig, dass nun bei der Talentshow so etwas wie «Aktenzeichen  XY ungelöst» auf das geschätzte Publikum zukäme: Ein echter Polizist werde sie um Mithilfe bei einem Kriminalfall bitten. Hier und da regte sich Applaus, der so vereinzelt war, dass er Danowski sarkastisch erschien. Jemand rief aus dem Zuschauerraum, der gerade dunkler zu werden begann: «Bullen raus!» Na, prima, dachte Danowski. Darauf ist Verlass: Wenn die Welt untergeht und nur noch zwei Leute übrig sind, von denen der eine Polizist ist, dann wird der andere sagen «Bullen raus!» oder «Was war bisher Ihr spannendster Fall?» Er kniff die Augen zusammen, um den Zwischenrufer zu erkennen und ihm nicht eines Tages aus Versehen Wasser oder Essen abzugeben, aber es war bereits zu dunkel. Offenbar hatten die Eltern der Kinder, die nach ihm auftreten wollten, erreicht, dass das Ganze hier ein bisschen festlicher aufgezogen wurde. Die Cruise-Direktorin wiederholte, was sie gesagt hatte, noch in vier anderen Sprachen, wobei Danowski nur «a true crime story» und «un homme policier» verstand. Dann gab sie ihm das Mikrophon.
    Danowski trat vor und sagte: «Guten Abend, meine Damen und Herren. Ich bin Hauptkommissar Danowski vom Landeskriminalamt Hamburg. Normalerweise sagt man

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