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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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was in der Art.«
    »Kennst du diese kleinen magnetischen Spielzeughunde? Sie ziehen sich gegenseitig an, aber das bedeutet nicht, dass sie wollen. Es war ein Fehler.«
    »Das klingt entschieden.«
    »Ist es auch.«
    Die Lampe spendete ebenso viel Schatten wie Licht, aber die Unordnung, die er sehen konnte, war ihm sympathisch: ein Ineinanderübergehen von Kissen, Büchern und Teppichen. Ein gerahmtes Foto zeigte ein älteres Paar vor einem anderen Haus. Arkadi musste zweimal hinschauen, ehe er die Ruine erkannte, in der sich Eva mit ihrem Motorrad versteckt hatte. Auf anderen Fotos war eine Ballettmeisterin zu sehen, eine getigerte Katze, Freunde beim Skifahren, jemand, der sich an einem Strand die Augen beschirmte. Ein Plakat für ein Stones-Konzert in Paris. Eine Teekanne und Tassen mit Schwarzbrot, Marmelade, Messer, Schneidebrett und Krümel. Alles in allem eine gemütliche Hütte.
    Arkadi deutete mit dem Kopf auf die Pistole. »Die könnte ich für dich auseinander nehmen. Das konnte ich schon als Sechsjähriger mit verbundenen Augen. Es ist so ziemlich das Einzige, was mir mein Vater beigebracht hat.«
    »Gut, wenn man so etwas kann.«
    »Fand er jedenfalls.«
    »Du und Alex, ihr habt mehr gemeinsam, als du ahnst.«
    Eine Gemeinsamkeit war offensichtlich, doch Arkadi glaubte, dass Eva mehr als ihre Person gemeint hatte. »Und was?«
    Sie schüttelte den Kopf. Nein, das Thema war für sie erledigt. Stattdessen sagte sie: »Alex hat vorausgesagt, dass es passieren würde.«
    »Alex ist ein kluger Mann.«
    »Alex ist ein Verrückter.«
    »Hast du ihn verrückt gemacht?«
    »Weil ich mit anderen Männern geschlafen habe? Es hat mir nichts bedeutet. Außerdem waren es gar nicht so viele. Ich brauche unbedingt eine Zigarette.«
    Arkadi fand zwei und einen Aschenbecher, den er ins Niemandsland in der Mitte des Bettes stellte.
    »Was weißt du über Selbstmord?«, fragte Eva. »Ich meine, abgesehen davon, dass man die Leichen aufschneidet.«
    »Oh, in meiner Familie hat Selbstmord Tradition. Mutter und Vater. Man möchte meinen, eine solche Tradition sei zwangsläufig kurz, aber nein, sie pflanzen sich fort, und erst dann bringen sie sich um.«
    »Hast du selbst …«
    »Ohne Erfolg. Im Übrigen sind wir hier in Tschernobyl. Ich finde, wir tun schon genug dafür. Und du?«
    Sie wich wieder aus. »Und wie kommst du mit deiner Untersuchung voran?«
    »Seltene lichte Momente. Millionäre werden im Allgemeinen des Geldes wegen umgebracht. Ich bin mir nicht sicher, ob dies auch hier der Fall war.«
    »Sonst noch was?«
    »Ja. Als ich hierher kam, nahm ich an, dass zwischen Paschas und Timofejews Tod ein Zusammenhang besteht. Das glaube ich noch immer, nur denke ich dabei mittlerweile an eine Art Parallelität.«
    »Was immer das auch bedeuten mag. Was hast du heute in dem Dorf gemacht?«
    »Ich war auf dem Friedhof in Romans und Marias Dorf, und ich habe mich gefragt, ob unter den offiziellen Unfallopfern auch welche waren, die aus den Dörfern in der Zone stammten. Ich wollte feststellen, ob ich Namen auf den Kreuzen kannte. Das war nicht der Fall, aber ich habe vier namenlose Kindergräber entdeckt.«
    »Enkel, deren Tod angeblich nichts mit den Folgen von Tschernobyl zu tun hat. Die Familien werden auseinander gerissen, und es ist niemand mehr da, der die Toten begraben kann, nur die Großeltern, und die holen sie nach Hause. Niemand führt Buch. Offiziell hat der Reaktorunfall einundvierzig Tote gefordert, inoffiziell eine halbe Million. Eine ehrliche Liste würde bis zum Mond reichen.«
    »Anschließend fuhr ich ins Nachbardorf, wo ich auf dich gestoßen bin. Was machst du mit einem Motorrad in einem Haus? Lass mich raten. Du entwendest Ikonen, damit sie der Miliz als gestohlen gemeldet werden können. So haben Plünderer und die korrupten Milizionäre, die mit ihnen gemeinsame Sache machen, keinen Grund, alte Leute wie Roman und Maria zu belästigen. Anschließend bringst du die Ikonen zurück. Aber in diesem Dorf gibt es keine bewohnten Häuser oder Ikonen, warum warst du also dort? Wem hat das Haus gehört?«
    »Niemandem.«
    »Das Motorrad habe ich an der abgebrochenen Schlussleuchte erkannt und dich am Halstuch. Du solltest auf deine Halstücher verzichten.« Er beugte sich übers Bett und küsste sie auf den Hals. Dass sie ihn nicht erschoss, nahm er als gutes Zeichen.
    »Hin und wieder«, sagte Eva, »erinnere ich mich an das dreizehnjährige Mädchen, das mit ihrem blöden Lächeln am Ersten Mai mitmarschiert

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