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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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beim Porschehändler, in der Kirche und auf dem Friedhof.«
    »Auf dem Friedhof?«
    »Auf einem sehr exklusiven. Alle möglichen Dichter, Schriftsteller und Komponisten liegen da. Er hat einen großen Strauß Rosen auf ein Grab gelegt. Ich hab’s mir später angesehen. Auf dem Stein stand >Obodowski<. Seine Mutter ist dieses Jahr gestorben.«
    »Mich würde interessieren, wo er geboren ist. Stell fest, ob er in Pripjat gewohnt hat.«
    »Das wird Bobby lebhaft interessieren.«
    »Na, wunderbar. Geht Anton irgendwelchen Geschäften nach?«
    »Sieht nicht so aus.«
    »Wozu ist er in Kiew? Um Autohändler und Friedhöfe zu besuchen? Worauf wartet er?«
    »Ich weiß es nicht, aber du solltest die Porsche sehen.«
    Arkadi fuhr durch eine Gasse, die keine Porsche säumten, sondern Feuerwehrautos auf der einen und Armeelaster auf der anderen Seite. Abgesehen von Ersatzteilhändlern kamen nur wenige Besucher auf den Autofriedhof. Der Fahrzeugtyp änderte sich von Reihe zu Reihe. Das Sortiment reichte von Personenwagen über gepanzerte Mannschaftswagen und Panzer bis zu Bulldozern, die alle zu verstrahlt waren, um vergraben zu werden, und stattdessen im Schlamm versanken. Arkadi folgte der einzigen Stromleitung. Sie führte zu dem Wohnwagen, in dem Bela, der Verwalter, sein Büro hatte.
    Bela bekam selten Besuch, und er brannte geradezu darauf, Pläne des Schrottplatzes vor Arkadi auszubreiten und mit ihm die Annehmlichkeiten zu teilen, die sein Wohnwagen zu bieten hatte: Mikrowellenherd, Hausbar, Fernseher mit Flachbildschirm und eine Sammlung von Videokassetten. Im Augenblick lief ein Pornofilm, Sex mit kurvenreichen Akteuren, der Ton so leise wie Hintergrundmusik.
    Bela zupfte sich ein Haar von der Schulter. In seinem schmutzigen weißen Anzug sah er aus wie eine verwelkende Lilie.
    »Ich spiele ernsthaft mit dem Gedanken, mich zur Ruhe zu setzen. Die Anforderungen in diesem Gewerbe werden zu groß.«
    »Was für Anforderungen?«
    »Anforderungen eben. Die Kunden können nicht einfach in die Zone fahren und Ersatzteile kaufen. Das hier ist kein Autohaus. Andererseits wollen sie sehen, was sie kaufen. Also bringe ich sie her.«
    »Sie bringen sie her?«
    »Hinten in meinem Transporter. Ich habe ein Arrangement mit den Jungs am Kontrollpunkt. Auch die müssen essen. Jeder muss essen. Das ist die goldene Regel.«
    »Und Hauptmann Martschenko?«
    »Der platzt fast vor Neid. Doch die Zonenverwaltung hat den Autofriedhof in weiser Voraussicht mir anvertraut, und der Hauptmann darf mir nicht hineinreden, denn Korruption und Unzuverlässigkeit der Miliz sind ja bekannt. Ich stehe jeden Morgen vor Tagesanbruch auf und sehe zu, dass hier alles reibungslos läuft. Wenn ich etwas bin, dann verlässlich. Deshalb gehören die vielen Fahrzeuge da draußen alle mir.«
    Mit seinem Stolz auf seine Armee kontaminierter Fahrzeuge erinnerte ihn Bela an einen Napoleon in der Verbannung.
    »Und zu jedem Fahrzeug gibt es gratis ein Dosimeter?«, fragte Arkadi.
    »Mit so was macht man keine Scherze. Sie sollten die schönen Seiten des Lebens genießen.« Der Verwalter hielt eine Kassette in die Höhe, Moskauer Hostessen. »Ich kann Ihnen Pornos zeigen, russische, japanische, amerikanische. Synchronisiert oder nicht, was allerdings keinen großen Unterschied macht. Oder stehen Sie mehr auf Sport? Eishockey? Fußball?« Noch ein Regal mit Kassetten. »Spielfilmklassiker, Zeichentrickfilme, Naturgeschichte. Wonach Ihnen der Sinn steht. Ich mache eine Dose Kekse auf, stelle was zu trinken auf den Tisch, und wir entspannen.«
    »Eigentlich habe ich selbst eine mitgebracht.« Arkadi reichte ihm Vankos Band.
    »Unbeschriftet. Ein Amateurstreifen? Eine kleine Fummelei? Badezimmerkamera?«
    »Das bezweifle ich.«
    »Könnte aber sein?«
    Bela wechselte gespannt die Kassetten. Als er sich Vankos Band ansah, drückte sein Gesicht zunächst Überraschung und dann Enttäuschung aus, als hätte sich Zucker, den er sich in den Mund geschoben hatte, als Salz entpuppt.
    Die Steppe hatte etwas Liebliches. Die Steppe war eine weite Ebene, in der Teiche und gewundene Flüsse glitzerten und die eine wehmütige Sehnsucht beschwor. Die Poesie war überlaut und geeignet, patriotische Glut zu entfachen, doch das Brot war so prall wie Kissen, und Brot siegte stets über Poesie. Ukrainische Schönheit war ein Kind der Geschichte: die leuchtenden Rehaugen und die helle Haut der Slawin auf Tatarenwangen. Zumindest war das Schönheit im landläufigen Sinn. Galina war

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