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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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gesagt, dass du hier sein würdest.«
    »Aber warum?«
    »Um dich zu sehen.«
    »Jetzt hast du mich gesehen, warum gehst du nicht?«
    »Ich will mehr.«
    »Wovon?«
    »Von dir.«
    Normalerweise war er nicht so direkt, und er rechnete damit, dass sie aufsprang und wegging. Etwas bewegte sich, und sie ergriff seine Hand. »Schenja spielt Schach?«, fragte sie. »Ja.«
    »Und er spielt sehr gut?«
    »Anscheinend.«
    Er hörte ein zufriedenes Murmeln, als hätte sich ihre Vermutung bestätigt. »Du hast gar nicht gefragt«, sagte sie. »Gefragt? Was denn?«
    »Ob der Garten radioaktiv verseucht ist. Du wirst ein richtiger Bewohner der Zone.«
    »Ist das gut oder schlecht?«
    »Wer weiß.«
    »Und für dich? Gut oder schlecht?« Sie bog seine Finger auseinander und legte ihren Kopf darauf. »Eine Katastrophe. Der Supergau.«
    Arkadis Handy klingelte, als er gerade ziellos durch die Stadt fuhr. Er bog in eine von Buchen gesäumte Seitenstraße ein, um den Anruf entgegenzunehmen. Es war Viktor. Er rief aus der Staatsbibliothek in Kiew an. »Enzyklopädie-Eintrag zu >Felix Michailowitsch Gerasimow, 1925 bis 2002, Direktor des Instituts für extrem hohe Temperaturen, Moskau<. Blablabla. Nationalpreise für Physik, jede Menge sonstige Auszeichnungen, Theoretiker, Patente für allen möglichen Scheiß, saß in verschiedenen staatlichen Wissenschaftsgremien für internationale Atomkontrolle und >nukleare Prävention<, was immer das sein soll, Studien über Müllmanagement. Ein vielseitiger Mann. Wieso interessierst du dich für ihn? Er ist vor zwei Jahren gestorben.«
    Arkadi stellte das Motorrad auf seinen Ständer. Sonnenstrahlen tanzten durch die Bäume und täuschten darüber hinweg, dass die Straßen leer und die Häuser unbewohnt waren.
    »Wegen einer Bemerkung, die jemand gemacht hat. Irgendwelche Verbindungen zu Tschernobyl?«
    Das Rascheln von Seiten, die umgeblättert wurden. »Nicht viele. Mitglied einer Delegation sechs Monate nach dem Unfall. Ich wette, zu dem Zeitpunkt ist jeder russische Wissenschaftler mal dort gewesen.«
    »Irgendwas Privates?«
    Eva hatte zu ihm gesagt, er und Alex Gerasimow hätten mehr gemeinsam, als er ahne. Er hatte eine Vermutung, wollte aber ganz sicher gehen. Während er telefonierte, schritt er an Häusern in unterschiedlichen Stadien des Verfalls vorbei. In einem Fenster stand eine Puppe, mindestens die dritte oder vierte, die er in Tschernobyler Fenstern sah.
    »Das sind wissenschaftliche Bücher und Zeitschriften«, antwortete Viktor, »keine Fanmagazine. Ljuba hat gestern Abend angerufen. Ich habe ihr von dem Geschäft für Damenunterwäsche hier erzählt. Sie hat gesagt, ich soll einfach was nehmen, was mir gefällt. Ich habe die Wahl.«
    »Suche nach Tscheljabinsk.«
    »Okay, hier ist ein Artikel, übersetzt aus dem Französischen, über die Explosion eines Atommüllbehälters in Tscheljabinsk 1957. Die Anlage war geheim, deshalb kam nichts an die Öffentlichkeit. Gerasimow muss zu der Zeit noch ein junger Spund gewesen sein, aber hier steht, dass er an den Aufräumarbeiten maßgeblich beteiligt war. Ich persönlich glaube nicht, dass sie da viel aufgeräumt haben. Hier ist noch ein atomarer Zwischenfall, diesmal im Testgebiet auf der Inselgruppe Nowaja Semlja. Wieder Gerasimow. Für einen Theoretiker hat er komisches Zeug gemacht. Ein Friedenspreis für militärische Forschung. Sehr schlau. So erklimmt man die akademische Leiter. Was machen die eigentlich am Institut für extrem hohe Temperaturen? Die könnten genauso gut Sprengköpfe bauen wie Krebs heilen.«
    Oder radioaktiv kontaminiertes Wasser in die Moskwa leiten, wenn die Rohre im Institut einfroren. Arkadi erinnerte sich an Timofejews Geständnis.
    »Eine paar aktuellere Sachen«, sagte Viktor. »Zeitungsausschnitte. Ein Porträt aus der Londoner Times von vor zehn Jahren. >Eine russische Physiker-Familie: Akademiemitglied Felix Gerasimow und sein Sohn Alexander.< Der Genius in den Genen, blabla. Konstruktive Debatte zwischen den Generationen über Reaktorsicherheit. >Tot aufgefundene Entschuldige, ich habe einen Artikel übersprungen. Aus der Iswestija: >Institutsdirektor zu Hause tot aufgefunden<. Selbstmord. Erschossen. Sei bei guter Gesundheit gewesen, habe aber nach dem Tod seiner Frau sechs Monate zuvor zu Depressionen geneigt. Und dann noch ein Nachruf aus der Prawda. >Karriere, die alle Höhen und Tiefen sowjetischer Wissenschaft widerspiegelte Hier wird wieder seine Frau erwähnt. >Tragischer Tod<. Tabletten.

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