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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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hunderttausend Hektar Waldland, auf dem die geradesten Bäume Mütterchen Russlands wuchsen. Es war, als wollte ein Karpfen einen Wal schlucken. Iwanow erwarb einige unbedeutende Schuldverschreibungen der Firma und reichte bei Provinzgerichten mit korrupten Richtern Klage ein. Die Sibir erfuhr von den Klagen erst, als Iwanow die Inhaberschaft zuerkannt wurde. Doch die Unternehmensleitung gab nicht so schnell auf. Sie hatte ihre eigenen Richter und Gerichte, und es kam zu einer Art Belagerung, bis Iwanow mit dem örtlichen Armeestandort ein Arrangement traf. Offiziere und Mannschaften hatten seit Monaten keinen Sold mehr erhalten, und so bezahlte Pascha Iwanow sie dafür, dass sie die Tore der Sägewerke durchbrachen. Die Panzer hatten keine scharfe Munition an Bord, doch Panzer bleibt Panzer, und Iwanow fuhr im ersten mit.
    So nahe war Arkadi dem magischen Zirkel der Superreichen noch nie gekommen, und er faszinierte ihn, ob er wollte oder nicht. Doch Schenja fühlte sich elend. Wenn Arkadi die Party mit den Augen des Jungen betrachtete, verlor sie alle Farbe. Die anderen Kinder besaßen mehr Selbstbewusstsein, mehr Handys und Eltern, während ein Heimkind nichts und niemanden hatte. Die von Arkadi geplante Maskerade entpuppte sich als ein grausames und törichtes Spiel. Wie boshaft oder verschlossen Schenja auch sein mochte, das hatte er nicht verdient.
    »Wollen Sie schon gehen?«, fragte Timofejew.
    »Mein Freund fühlt sich nicht wohl.« Arkadi deutete mit dem Kopf auf Schenja.
    »Welch ein Jammer, so jung und nicht bei guter Gesundheit.«
    Timofejew rang sich ein müdes Lächeln ab. Er schniefte und griff nach einem Taschentuch. Arkadi bemerkte braune Flecken auf seinem Hemd. »Ich hätte auch so eine karitative Stiftung ins Leben rufen sollen. Wussten Sie, dass Pascha und ich zusammen aufgewachsen sind? Wir waren auf denselben Schulen, am selben Institut. Aber wir hatten ganz unterschiedliche Neigungen. Ich war nie ein Frauenheld. Ich habe mir mehr aus Sport gemacht. Pascha hatte zum Beispiel einen Dackel, und ich besaß Wolfshunde.«
    »Jetzt nicht mehr?«
    »Leider nein, es ging nicht mehr. Ich … Was die Untersuchung betrifft, so habe ich ausgesagt, dass wir in Anbetracht der Informationen, die uns zur Verfügung standen, das Bestmögliche getan haben.«
    »Was für eine Untersuchung meinen Sie?«, fragte Arkadi. Seine konnte jedenfalls nicht gemeint sein.
    »Pascha sagte, es sei keine Frage von Schuld oder Unschuld. Das Leben eines Menschen sei manchmal einfach eine Kettenreaktion.«
    »Schuld woran?«
    »Sehe ich vielleicht wie ein Monster aus?«
    »Nein«, antwortete Arkadi. Lew Timofejew mochte dabei geholfen haben, mittels Bestechung und Diebstahl einen Finanzriesen aufzubauen, aber wie ein Monster sah er nicht aus. Eher wie ein vormals gesunder Sportler, der alt und runzlig wurde. Möglicherweise ging ihm der Tod seines besten Freundes sehr nahe, doch seine Blässe und die eingefallenen Wangen ließen eher vermuten, dass er krank war oder Angst hatte. Pascha war von den beiden immer der Draufgänger gewesen, und Arkadi erinnerte sich, dass Rina von einem mysteriösen Verbrechen in der Vergangenheit gesprochen hatte. »Hat es etwas mit Pascha zu tun?«
    »Wir wollten doch helfen. Jeder andere wäre aufgrund der vorliegenden Informationen zu demselben Schluss gekommen.«
    »Zu welchem?«
    »Dass man die Sache im Griff hat, dass alles unter Kontrolle ist. Wir haben das wirklich geglaubt.«
    »Was für eine Sache?« Arkadi verstand nur Bahnhof. Timofejew hatte offenbar ein ganz neues Thema angeschnitten.
    »Ich habe einen Brief erhalten, in dem ich aufgefordert werde, mich persönlich zu entschuldigen, von Angesicht zu Angesicht. Von wem könnte er sein?«
    »Keine Ahnung. War es ein Drohbrief? Haben Sie ihn bei sich?«
    Rina rief vom Kasino herüber. Sie sah hinreißend aus in ihrem Overall, der, passend zum Motto des Tages, silbrig glänzte. »Arkadi, vermissen Sie jemanden?«
    Schenja war verschwunden und nun bei den Spieltischen wieder aufgetaucht. Es gab Tische für Poker und Blackjack, aber Rinas Freunde hatten sich für das klassische Roulette entschieden. Neben ihnen stand Schenja, sein Märchenbuch in der Hand, und begleitete jeden Einsatz mit mürrischer Miene. Arkadi entschuldigte sich bei Timofejew mit dem Versprechen, gleich wiederzukommen.
    »Ich möchte Ihnen meine Freunde Nikolai und Leo vorstellen«, sagte Rina. »Sie sind so lustig und verlieren viel Geld. Jedenfalls haben sie das, bevor

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