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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Bungee-Trampolin das Gefühl der Schwerelosigkeit kennen zu lernen. Die Gästeliste war aufsehenerregend: breitschultrige Olympiaschwimmer, Filmstars mit sorgsam zerzaustem Haar, Fernsehgesichter mit blitzenden Zähnen, Rockmusiker hinter dunklen Sonnenbrillen und berühmte Schriftsteller, deren Schmerbäuche sich über Jeans wölbten. Arkadis Herz tat einen Sprung, als er ehemalige Kosmonauten erkannte, Helden seiner Jugend, die man offensichtlich eigens für heute engagiert hatte. Doch über allem schwebte der Geist Pascha Iwanows. Ein Foto von ihm, geschmückt mit einem Blumengebinde aus Wicken und Gänseblümchen, hing neben dem Eingangstor. Es zeigte einen vergnügten Iwanow, der zwischen zwei Zirkusclowns eine Grimasse schnitt, als wollte er seine Gäste auffordern, sich zu vergnügen und nicht zu trauern. Das Bild konnte nicht allzu lange vor seinem Tod aufgenommen worden sein, und doch wirkte er darauf so viel jünger, verschmitzter und lebendiger als in letzter Zeit, dass es wie eine Mahnung war, jede Sekunde des Lebens zu genießen. Arkadi vermutete, dass die Wachen am Tor seine Ankunft telefonisch gemeldet hatten, denn er spürte, dass ihn Blicke begleiteten, als er durch die Menge der Partygäste schritt, und er bemerkte, wie sich Männer mit Kabeln am Ohr neu postierten. Mit Zuckerwatte verschmierte Kinder rannten umher. Vor Paschas Datscha, die zehnmal so groß wie normal, aber wenigstens russischer Bauart und kein entführtes Parthenon war, umlagerten Männer Grillstände mit Schaschlik vom Stör und vom Rind. Auf einer Bühne spielte ein Diskjockey russischen Bubbelgum, Karaoke regierte auf einer zweiten. An separaten Bars wurde Champagner, Johnny Walker oder Courvoisier ausgeschenkt. Die Frauen waren groß und schlank und trugen Cowboystiefel aus Kroko- und Straußenleder zu italienischen Kleidern. Von den Tischen, an denen sie standen, konnten sie ihre Kinder und Männer im Auge behalten und besorgt eine jüngere Generation noch größerer und schlankerer Frauen beobachten, die sich durch die Menge schlängelte. Timofejew stand zusammen mit Staatsanwalt Surin, der wie ein Seerohr die Menge absuchte, in der Essenschlange. Es war kein gutes Zeichen, dass er überall hinsah, nur nicht in Arkadis Richtung. Timofejew wirkte blass und zittrig für einen Mann, der bei NoviRus das Ruder übernehmen sollte. Etwas abseits stand Bobby Hoffman, der Amerikaner, dessen Tage in Russland gezählt waren, und aß von einem überladenen Teller. Man hatte im Freien ein Spielkasino errichtet, und Arkadi erkannte schon von weitem Iwanows Freunde Nikolai Kusmitsch und Leonid Maximow. Sie waren noch ziemlich jung und trugen einfache Jeans, kein Mafiaschwarz und keine protzigen Goldklunker. Die Groupiers wirkten ebenso echt wie die Chips, aber Kusmitsch und Maximow beugten sich über den Roulettetisch wie kleine Jungs beim Spielen.
    Was die Neurussen auszeichnete, waren Jugend und Intelligenz. Ungewöhnlich viele waren Günstlinge und Lieblingsschüler renommierter Wissenschaftler gewesen, und als die Geldquellen ihrer Institute plötzlich versiegten, hatten sie, statt zwischen den Ruinen zu darben, die Welt verändert und es mit Mut und Findigkeit zu Millionären gebracht. Sie verglichen sich selbst mit den skrupellosen Räuberbaronen im Wilden Westen Amerikas. Und hatte nicht mal jemand gesagt, dass jedes große Vermögen mit einem Verbrechen begann? In Russland gab es über dreißig Milliardäre, mehr als in jedem anderen Land, Nährboden für viele Verbrechen.
    Kusmitsch, Student am Institut für seltene Metalle, hatte Titan aus einem unbewachten Lagerhaus verkauft, den Gewinn investiert und mit Nickel und Zinn ein Vermögen gemacht. Maximow, ein Mathematiker, erhielt den Auftrag, eine Auktion zu organisieren. Das Ministerium für exotische Chemie wollte ein Laboratorium veräußern, und bei der Versteigerung drohte ein Chaos. Maximow hatte eine bessere Idee: eine Auktion an einem geheim gehaltenen Ort. Die Überraschungssieger, Maximow und ein Cousin aus dem Ministerium, funktionierten das Labor in eine Destillieranlage um und legten damit den Grundstein für das Vermögen, das Maximow mit Wodka und ausländischen Autos verdiente.
    Das beste Beispiel von allen war jedoch Pascha Iwanow, Physiker und Lieblingsschüler am Institut für extrem hohe Temperaturen. Er fing mit nichts weiter als einem Schwindelfonds an und nahm eines Tages die Firma Sibir ins Visier, ein riesiges Holzunternehmen mit Sägewerken und mehreren

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