Treue Genossen
nicht vorhandenen Sandsack. »Tja, wie heißt es so schön? Es gibt überall ein schwarzes Schaf.« Er hielt inne und schüttelte die Arme aus. »Und wieso hätte ich Pascha Iwanow anrufen sollen?«
»Aus geschäftlichen Gründen. Jemand hat der NoviRus-Öl Tankwagen geklaut und leer gepumpt. Es ist in Ihrem Moskauer Revier passiert, in Ihrer Suppe, sozusagen.«
Anton tänzelte wieder im Kreis, schlug Jabs, halbe Geraden, Aufwärtshaken. Er prallte zurück, riss die Deckung hoch, wich einem imaginären Schlag aus und startete einen Gegenangriff, und wie er so die Schultern rollte und Jabs schlug, wurde die Zelle immer kleiner und kleiner. Anton mochte kein Champion gewesen sein, aber wenn er in Fahrt kam, brauchte er viel Platz. Schließlich ließ er die Fäuste sinken und verschnaufte.
»Er hat so ein Arschloch als Sicherheitschef, einen ehemaligen Oberst vom KGB. Die haben einen von meinen Jungs mit einem Tanklaster erwischt und ihm beide Beine gebrochen. Das geht zu weit. Und bringt mich in eine schwierige Lage. Wenn ich nicht zurückschlage, werden meine Jungs mir die Beine brechen. Aber ich will keinen Krieg. Davon habe ich genug. Ich wollte gleich mit dem Boss reden und ihm bei der Gelegenheit klar machen, wie beschissen die Sicherheitsmaßnahmen des Obersts sind. Deshalb habe ich Pascha unter seiner Privatnummer angerufen und gesagt, was ich gesagt habe. Es war eine Gesprächseröffnung. Vielleicht etwas grob, aber es war als Auftakt zu einem Dialog gemeint. Ich besitze Karosseriewerkstätten, Sonnenstudios, ein Restaurant. Ich bin ein seriöser Geschäftsmann. Ich hätte gern mit Pascha Iwanow zusammengearbeitet, etwas von ihm gelernt.«
»Worin sollte die Gegenleistung bestehen? Was hatten Sie anzubieten?«
»Schutz.«
»Natürlich.«
»Jedenfalls bin ich nie durchgekommen und habe ihn persönlich nie getroffen. Ich schätze, ich war hier, als Pascha starb, und der Anruf beweist es.«
»Glück gehabt.«
»Ich lebe eben richtig.« Anton war bescheiden. »Weshalb hat man Sie eigentlich eingebuchtet?«
»Unerlaubter Waffenbesitz.«
»Das ist alles?«
Unerlaubter Waffenbesitz war gar nichts. Da Anton immer einen Anwalt, einen Richter und Geld für eine Kaution zur Hand hatte, bestand für ihn eigentlich kein Grund, auch nur eine Stunde, geschweige denn zwei Nächte hinter Gittern zu verbringen, es sei denn, er wartete darauf, dass irgendein Gesetzeshüter vorbeikam und offiziell feststellte, dass Anton Obodowski unschuldig war. Arkadi wollte Antons gefährliche Seite nicht reizen, aber er ließ sich auch nicht gern benutzen.
Anton grapschte Reiseprospekte vom Bett. »Sobald ich hier rauskomme, mache ich Urlaub. Was würden Sie vorschlagen? Zypern? Türkei? Ich trinke nicht und nehme keine Drogen, da hat man die volle Auswahl. Ich möchte braun werden, bekomme aber leicht einen Sonnenbrand. Was meinen Sie?«
»Legen Sie Wert auf das leibliche Wohl? Ruhe? Feinschmeckerküche?«
»Ja.«
»Auf Personal, das Ihnen jeden Wunsch erfüllt?«
»Genau!«
»Dann bleiben Sie doch im Butyrka.«
Wie ein Sträfling in Handschellen beobachtete Schenja, was die meisten Leute als Flucht aufs Land bezeichnet hätten. Die Bevölkerung Moskaus strömte in das hügelige Umland, zu rustikalen Datschas und riesigen Diskontmärkten, und wenn die Ausfallstraße auch nur vier Fahrspuren hatte, so machten die Autofahrer kurzerhand sechs daraus.
Arkadi war nicht klar, für welchen guten Zweck Pascha Iwanows Hilfswerk >Blauer Himmel< das Picknick veranstaltete, doch er wollte sich die Gelegenheit, mit den Millionären Nikolai Kusmitsch und Leonid Maximow zu sprechen, auf keinen Fall entgehen lassen. So liebe Freunde Iwanows würden mit Sicherheit erscheinen. Immerhin hatten sie mit ihm in Saint-Tropez Ferien gemacht, als man an seinem Jetboot eine Haftmine entdeckte. Morgen würden sie sich mit ihren Firmenjets wieder in alle Winde zerstreuen und hinter einer Armee von Anwälten verschanzen. Das Picknick war daher Arkadis einzige Chance, und er benutzte Schenja als Tarnung. Aufkommende Schuldgefühle tat er mit einem Achselzucken ab. Etwas Sonne konnte Schenja nicht schaden.
»Vielleicht kann man sogar schwimmen. Ich habe dir für alle Fälle eine Badehose mitgebracht«, sagte Arkadi und deutete auf ein Päckchen zu Füßen des Jungen. Bislang hatte Schenja von dem Päckchen keine Notiz genommen. Jetzt trampelte er mit den Absätzen darauf herum. Arkadi bewahrte gewöhnlich eine Pistole im Handschuhfach auf und war nun
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