Treue Genossen
um Rina bin ich sofort zurückgeflogen.«
»Was soll die Fragerei? Es war doch Selbstmord, oder nicht?«, erkundigte sich Maximow.
»Tragischerweise, ja.« Surin trat an den Tisch. Er hielt Schenja an der Schulter fest. »Meine Dienststelle hat sich mit der Angelegenheit befasst, sieht aber keinen Grund für eine Untersuchung. Ein tragischer Vorfall, weiter nichts.«
»Aber warum …?« Kusmitsch blickte zu Arkadi.
»Gründlichkeit. Aber ich darf Ihnen versichern, dass Sie von weiteren Fragen verschont bleiben werden. Würden Sie uns jetzt bitte entschuldigen? Ich muss ein paar Worte mit meinem Beamten wechseln.«
»Istanbul!«, rief Kusmitsch Arkadi in Erinnerung.
»Geben Sie dem Mann einen Tag frei«, sagte Maximow zu Surin. »Er arbeitet zu viel.«
Der Staatsanwalt lotste Arkadi weg. »Haben Sie sich amüsiert? Wie sind Sie überhaupt hereingekommen?«
»Wir sind eingeladen, mein Freund und ich.« Arkadi nahm Schenja an der Hand.
»Um Fragen zu stellen und Gerüchte zu verbreiten?«
»Wissen Sie, was für ein Gerücht mir zu Ohren gekommen ist?«
»Welches?« Surin hielt Arkadi und Schenja in Bewegung.
»Ich habe gehört, dass man Ihnen einen Aufsichtsratsposten angeboten hat. Sie haben ausgesorgt.«
Surin schob Arkadi etwas schneller voran. »Jetzt haben Sie’s geschafft. Jetzt haben Sie den Bogen überspannt.«
Oschogin holte sie ein und packte Arkadi an der Schulter. Sein Ringerdaumen quetschte das Schlüsselbein. »Renko, Sie müssen sich bessere Manieren angewöhnen, wenn Sie für den Sicherheitsdienst von NoviRus arbeiten wollen.« Der Oberst tätschelte Schenjas Kopf, und der Junge quetschte Arkadis Hand zu einem kleinen Knoten zusammen.
»Wie konnten Sie es wagen, hier aufzukreuzen?«, wollte Surin wissen. »Sie haben mir doch gesagt, ich soll Fragen stellen.«
»Aber doch nicht auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung.«
»Wissen Sie von der CD-ROM, die uns Hoffman vorenthalten hat?«, fragte Oschogin und gestattete Arkadi einen flüchtigen Blick auf eine silberne Scheibe.
»Oh, das muss sie sein«, sagte Arkadi. »Wollen Sie heute noch jemandem die Arme brechen, oder die Beine?«
»Die Untersuchung ist beendet«, erklärte Surin. »Sie haben sich auf die Party geschlichen und dazu ein obdachloses Kind benutzt, das ist unverzeihlich.«
»Heißt das, dass ich versetzt werde?«
»Das heißt, dass Sie ein Disziplinarverfahren bekommen«, antwortete Surin müde, als setzte er einen schweren Stein ab.
»Mit anderen Worten, Sie sind erledigt.«
Arkadi fühlte sich auch so. Er war mit Surin wohl ein bisschen zu weit gegangen. Auch käufliche Menschen hatten ihren Stolz.
Den Kreis bedeutender Männer hinter sich lassend, ging er mit Schenja zurück, vorbei an den Kosmonauten, der Zuckerwatte und den rauchenden Grills, den Fernsehgesichtern, den rosa Lamas und den Außerirdischen auf Stelzen. Eine Rakete hob vom Tennisplatz ab, stieg hundert Meter in die Luft und explodierte in einem Papierblumenregen. Sie passierten das Tor, als die letzten Blütenblätter zu Boden schwebten. Bobby Hoffman wartete neben Arkadis Wagen. Er hielt sich ein Taschentuch an die blutende Nase und hatte den Kopf in den Nacken gelegt, um die ihm von Iwanow vermachte Jacke zu schützen.
Während der Fahrt beobachtete Schenja Arkadi aus zusammengekniffenen Augen. Arkadi war in schwindelerregendem Tempo von den Höhen Neurusslands in seine Niederungen gestoßen worden. Der Abstieg war so rasant vonstatten gegangen, dass selbst Schenja es bemerkt hatte.
»Und was jetzt?«, fragte Hoffman.
»Was weiß ich? Eine neue Karriere. Ich habe in Moskau Jura studiert. Vielleicht werde ich Anwalt. Können Sie sich mich als Anwalt vorstellen?«
»Ha!« Hoffmann überlegte eine Sekunde. »Komisch, aber in einem Punkt erinnern Sie mich an Pascha. Sie sind zwar nicht so clever wie er, weiß Gott nicht, aber in einer Hinsicht sind Sie ihm ähnlich. Man wusste bei ihm nie, ob er etwas lustig oder traurig fand. Oder was in ihm vorging. Besonders zum Ende hin.«
Arkadi wandte sich an Schenja. »Ist das gut, wenn man Ähnlichkeit mit einem Toten hat?« Schenja schürzte die Lippen.
»Kommt drauf an? Finde ich auch.«
Schenja hatte nichts gegessen. Sie hielten an einer Piroschkibude und entdeckten hinter dem Stand eine aufblasbare Hüpfburg, die einer vertrauten, auf Hühnerbeinen stehenden Hütte nachempfunden war. Ein aufblasbarer Zaun aus Knochen und Totenköpfen umgab die Hütte, und auf dem Dach thronte die Hexe: Baba Jaga mit
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