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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Miniaturflaschen Wodka, wie sie von Fluggesellschaften angeboten wurden. »Ich weiß, dass Sie trinken.«
    »Normalerweise nicht so früh am Tag.«
    »Ach was, wir sind hier in der Zone.« Alex schraubte die Kappen ab und warf sie weg. »Zum Wohl!«
    Arkadi zögerte, doch Etikette war Etikette, und so leerte er das Fläschchen in einem Zug.
    Alex strahlte. »Ich finde, nach einer Zigarette und einem Schluck Wodka erscheint ein Tag in der Zone in einem ganz anderen Licht.«
     
    »Beim Fahren in der Zone gilt die Faustregel: auf dem Asphalt bleiben«, erklärte Alex, doch er selbst schien die Straße zu verschmähen. Viel lieber fuhr er mit seinem Pritschenwagen, einem Toyota mit hoher Bodenfreiheit, den er wie ein Schiff steuerte, über die Erdhügel und Senken eines beerdigten Dorfes.
    »Schalten Sie Ihr Dosimeter aus.«
    »Was?« Das war das Letzte, was Arkadi wollte.
    »Wenn Sie eine Rundfahrt machen wollen, gern, aber zu meinen Bedingungen. Schalten Sie das Dosimeter aus. Ich möchte mir nicht den ganzen Tag dieses Geknatter anhören.«
    Alex grinste. »Schießen Sie los: Was wollen Sie wissen?«
    »Sie waren Physiker«, sagte Arkadi.
    »Als ich nach Tschernobyl kam, war ich Physiker. Dann habe ich auf Radioökologie umgesattelt. Ich bin geschieden. Meine Eltern sind tot. Politische Gesinnung: Anarchist. Lieblingssport: Wasserpolo, auch eine Form von Anarchie. Keine Haustiere. Bis auf Ordnungswidrigkeiten praktisch nie mit dem Gesetz in Konflikt gekommen. Ich bin tief beeindruckt, dass ich die Aufmerksamkeit eines leitenden Untersuchungsbeamten der Moskauer Staatsanwaltschaft erregt habe, und ich muss Ihnen gestehen, dass sich mein Assistent Vanko vor Angst fast in die Hosen macht, weil Sie nach einem Wilderer suchen. Er glaubt nämlich, dass Sie ihn verdächtigen.«
    »Ich weiß nicht genug, um jemanden zu verdächtigen.«
    »Das habe ich Vanko auch gesagt. Ach, ich sollte noch was hinzufügen. Lieblingsschriftsteller: Shakespeare.«
    »Wieso gerade Shakespeare?« Arkadi hielt sich fest, während der Toyota eine mit Schornsteinziegeln übersäte Schräge hinaufkletterte.
    »Weil Yorick meine Lieblingsfigur ist.«
    »Der Schädel in Hamlet?«
    »Genau. Kein Text, aber eine wunderbare Rolle. >Ach, armer Yorick, ich kannte ihn, Horatio; ein Bursch von unendlichem Humor …< Kann man über einen Menschen etwas Besseres sagen? Ich hätte nichts dagegen, wenn mich alle hundert Jahre jemand ausbuddeln würde und sagen könnte: >Ach, armer Alexander Gerasimow, ich kannte ihn.<«
    »Als >Bursch von unendlichem Humor    »Ich tue mein Bestes.« Alex beschleunigte, als durchquerten sie ein Minenfeld. »Aber Vanko und ich wissen nicht viel über Wilderer. Wir sind nur Ökologen. Wir kontrollieren unsere Fallen, markieren dieses oder jenes Tier, nehmen Blutproben, kratzen ein Paar Zellen für eine DANN-Analyse ab. Wir töten selten ein Tier, zumindest kein Säugetier, und wir feiern keine Grillfeste im Wald. Ich kann Ihnen nicht einmal sagen, wann ich zuletzt über einen Wilderer oder >Selbstsiedler< gestolpert bin.«
    »Sie stellen in der Zone Fallen auf, und die Wilderer jagen in der Zone. Sie könnten welchen begegnet sein.«
    »Ehrlich, ich erinnere mich nicht.«
    »Ich habe mit einem Wilderer gesprochen, den man mit einer Armbrust erwischt hat. Er behauptet, ein Fremder, den er für einen Jäger hielt, habe ihm ein Gewehr an den Kopf gehalten und gesagt, er solle verschwinden. Nach seiner Beschreibung war der Mann an die zwei Meter groß, hager, hatte dunkle Augen und kurz geschnittenes dunkles Haar.« Die Beschreibung passte auf Alex Gerasimow. Arkadi lehnte sich zurück, damit er das Gewehr besser sehen konnte, das auf dem Rücksitz hüpfte. »Und das Gewehr soll eine Zwölf-Millimeter-Protecta mit Trommelmagazin gewesen sein.«
    »Eine gute Allzweckwaffe. Diese Typen benutzen Armbrüste, damit sie lautlos jagen können, aber sie sind längst nicht so gute Schützen, wie sie meinen. Normalerweise schießen sie das Wild nur an, es flüchtet und verendet qualvoll nach Tagen. Aber jemanden einen Gewehrlauf an den Kopf halten, das ist schon etwas extrem. Will der Wilderer Anzeige erstatten?«
    »Wie könnte er, ohne sich selbst zu belasten?«
    »Pech für ihn. Hören Sie, Renko, langsam verstehe ich, warum Vanko Angst vor Ihnen hat.«
    »Aber nicht doch. Ich weiß die Fahrt zu schätzen. Manchmal hilft Bewegung dem Gedächtnis auf die Sprünge. Zum Beispiel könnte Ihnen heute beim Kontrollieren einer Falte wieder

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