Treue Genossen
ein.«
»Als Sie Timofejews Wagen auf dem Autofriedhof fanden, steckten da die Schlüssel?«
»Nein.«
»Sie haben ihn vom Autofriedhof hierher schleppen lassen?«
»Ja. Das haben wir doch schon durchgekaut.«
»Frischen Sie mein Gedächtnis auf, bitte.«
»Bevor der Wagen abgeschleppt wurde, haben wir nach den Schlüsseln gesucht. Dann haben wir die Sitze auf Blutspuren hin untersucht, den Kofferraum aufgebrochen und dort nachgesehen. Wir haben nichts gefunden.«
»Nichts, was darauf hindeutet, das Timofejew woanders ermordet und dann mit dem Wagen zum Friedhof gebracht wurde?«
»Nichts.«
»Haben Sie am Friedhof Abdrücke von Reifenspuren genommen?«
»Nein. Aber falls es Spuren gegeben hat, sind unsere Fahrzeuge sowieso drübergefahren.«
»Richtig.«
»Es ist ein schwarzes Dorf. Radioaktiv verseucht. Da hat es jeder eilig. Und es hat fast ununterbrochen geregnet, vergessen Sie das nicht.«
»Und Sie haben tatsächlich Wolfsspuren gefunden?« Arkadi wollte es noch immer nicht glauben.
»Tellergroß.«
»Wer hat den Wagen abgeschleppt?«
»Wir.«
»Wer ist gefahren?«
»Kollege Katamai.«
»Katamai ist doch der Milizionär, der Timofejews Leiche gefunden hat und dann verschwunden ist.«
»Ganz recht.«
»Er macht hier eine Menge.«
»Er kennt sich eben aus. Er ist hier aufgewachsen.«
»Und er ist noch nicht wieder aufgetaucht?«
»Nein. Das ist kein Verbrechen. Wenn er aufhört, hört er eben auf. Wir hätten nur gern die Uniform und die Dienstwaffe wieder.«
»Ich habe mir seine Akte angesehen. Er hatte disziplinarische Probleme. Haben Sie ihn nach Timofejews Brieftasche und Uhr gefragt?«
»Selbstverständlich. Er hat es bestritten, und die Sache wurde fallen gelassen. Sie müssen mit seinem Großvater reden, dann werden Sie verstehen.«
»Stammt er aus der Gegend?«
»Aus Pripjat. Hören Sie, Renko, wir sind keine Kriminalisten, und wir leben nicht in einer normalen Welt. Hier ist Sperrzone. Kein Hahn kräht nach uns. Das Land geht vor die Hunde, also arbeiten wir für das halbe Gehalt, und jeder stiehlt, um über die Runden zu kommen. Was fehlt? Was nicht? Medikamente, Morphium, eine Sauerstoffflasche, alles fort. Wir haben Nachtsichtbrillen von der Armee bekommen. Verschwunden. Ich war bei Bela, als wir Timofejews BWM entdeckt hatten, und ich weiß noch, wie er mich angesehen hat. Am liebsten hätte er mich wegen des Wagens umgebracht. Wenn der Verwalter eines Autofriedhofs schon so ist, wie, glauben Sie, sind dann die Leute, die ich bekomme? Ich weiß, was er treibt, ich sehe nachts die Funken. Allen anderen geht es miserabel, und er macht ein Vermögen, aber ich kann keine Razzia bei ihm durchführen, so gern ich auch würde, denn er wird gedeckt, verstehen Sie? Er genießt Schutz von oben.«
»Ich wollte Sie nicht kritisieren.«
»Tun Sie sich keinen Zwang an. Wer klug ist, stiehlt, sagt meine Frau. Die Diebe haben verstanden. Meistens schmieren sie die Posten an den Kontrollpunkten. Das heute Morgen war eine Ausnahme. Normalerweise fahren sie heimlich von einem schwarzen Dorf zum anderen, und wenn wir ihnen zu nahe kommen, verschwinden sie einfach in einem Hotspot, und wir können nicht weiter. Ich werde nicht das Leben meiner Männer aufs Spiel setzen, auch nicht das der schlimmsten, und hier gibt es tausend Hotspots, tausend schwarze Löcher, in denen Diebe verschwinden können, und keiner weiß, wo sie wieder rauskommen. Wenn Sie jemanden kennen, der bereit ist, hierher zu kommen, fragen sie ihn.« Während sie miteinander sprachen, begann es langsam zu dämmern. Martschenko zündete sich eine Zigarette an und lächelte wie der glückliche Kapitän eines sinkenden Schiffs. »Laden Sie alle Ihre Freunde nach Tschornobyl ein.«
Die Ökologen und die British Friends waren nicht in der Kantine gewesen, und so hatte Arkadi in Ruhe zu Abend gegessen und sich dann mit seinen Notizen ins Bett gelegt, als sein Handy klingelte. Olga Andriwna vom Moskauer Kinderheim war dran. »Ich bedaure, Ihnen mitteilen zu müssen, dass wir Probleme mit Schenja haben, seit Sie fort sind. Er benimmt sich unmöglich, will nicht essen und lehnt jeden Kontakt mit anderen Kindern und dem Personal ab. Zweimal haben wir ihn dabei erwischt, wie er sich nachts fortstehlen wollte, was für einen Jungen seines Alters sehr gefährlich ist. Ich kann mir nicht helfen, aber die Verschlechterung seines Sozialverhaltens hängt mit Ihrer Abwesenheit zusammen, und so muss ich Sie fragen, wann sie zurückzukehren
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