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Treue Genossen

Treue Genossen

Titel: Treue Genossen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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alte Boden?« Arkadi deutete auf einen mit dunkler Erde gefüllten Müllcontainer, der fünfzig Meter entfernt stand. Der Container war halb mit Planen bedeckt und von Warnschildern umgeben.
    »Unser ganz besonders schmutziger Schmutz. Es ist schlimmer als die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen. Ein Stäubchen Cäsium ist so klein, dass man es nur unter dem Mikroskop sehen kann, also graben wir alles um. Ah, noch ein Besucher.«
    Eine der Apfelsinenkisten war heruntergefallen. Als Alex die Falle anhob, rollte eine Kugel aus Stacheln heraus, eine spitze Nase erschien, und zwei glänzende Knopfaugen schielten nach oben.
    »Dem Igel ist sein Schlaf heilig, Renko. Nicht einmal in einer Falle möchte er so unsanft geweckt werden.«
    Der Igel rappelte sich auf, zuckte mit der Nase und grub mit plötzlichem Eifer einen Wurm aus. Das Ziehen und Zerren endete mit einem Kompromiss. Der Igel fraß eine Wurmhälfte, die andere entkam. Munterer jetzt, erwog der Igel, welche Richtung er einschlagen sollte.
    »Er hat jetzt nur eins im Sinn, ein neues warmes Nest aus weichem, kühlem, modrigem Laub. Ich will Ihnen etwas zeigen.« Alex packte den Igel mit einer behandschuhten Hand, hob ihn hoch und setzte ihn vor Arkadi auf den Boden.
    »Ich stehe ihm im Weg.«
    »Das ist ja der Witz.«
    Der Igel marschierte vorwärts, bis er gegen Arkadis Fuß stieß. Er versetzte ihm zwei, drei, vier Nasenstüber, bis Arkadi endlich Platz machte. Mit aufgerichteten Stacheln trippelte er weiter. Der Abgang eines Helden.
    »Er hatte keine Angst.«
    »Nein. Seit dem Unglück hat es Generationen von Igeln gegeben, und sie haben vor Menschen keine Angst mehr.«
    Alex zog die Handschuhe aus und steckte sich eine Zigarette an. »Sie können sich nicht vorstellen, was für ein Vergnügen es ist, mit Tieren zu arbeiten, die keine Angst haben. Es ist wie im Paradies.«
    Schönes Paradies, dachte Arkadi. Nur vier Kilometer roter Wald trennten den Garten vom Reaktor. Der Sarkophag von Block vier und der rot-weiß gestreifte Fabrikschlot ragten drohend hinter den Bäumen in der Ferne auf.
    Arkadi hatte angenommen, der Garten sei nur ein Versuchsgelände, doch wie ihm Alex nun erklärte, verkaufte Vanko das Gemüse. »Die Menschen werden es essen, es ist nahezu unmöglich, sie davon abzuhalten. Früher hatte ich einen großen Hund, der hier aufgepasst hat, einen Rottweiler. Eines Abends, als ich spät noch arbeitete, bellte er draußen im Schnee. Er wollte nicht aufhören. Und dann war er plötzlich still. Zehn Minuten später ging ich mit einer Lampe hinaus und sah, wie ein Rudel Wölfe meinen Hund auffraß.«
    »Was ist dann passiert?«
    »Nichts. Ich habe sie mit ein paar Schüssen verscheucht.«
    Ein Moskowitsch mit kaputtem Auspuff knatterte auf der Straße nach Pripjat vorbei. Eva Kaska sah kurz zu Arkadi und Alex herüber, ohne vom Gas zu gehen.
    »Mutter Teresa«, sagte Alex. »Die Schutzheilige der nutzlosen guten Taten. Sie fährt in die Dörfer und kümmert sich um die Lahmen und Bedürftigen, die eigentlich gar nicht hier sein dürften.« Schwarzer Rauch quoll aus dem Auspuffrohr des Moskowitsch wie schlechte Laune. »Sie mag Sie.«
    »Ach ja? Davon habe ich gar nichts gemerkt.«
    »Sie sind der romantische Typ. Wie ich früher. Zigarette?«
    Alex riss eine Packung auf.
    »Danke.«
    »Ich hatte mit dem Rauchen aufgehört, bevor ich in die Zone kam. Die Zone rückt alles in eine andere Perspektive.«
    »Aber die Radioaktivität wird doch schwächer.«
    »Etwas. Im Moment ist Cäsium unsere größte Sorge. Ein so genannter Knochensucher. Er wandert ins Knochenmark und unterbindet die Produktion von Blutplättchen. Und die strahlenempfindlichen Schleimhäute im Verdauungsapparat werden vom Cäsium einfach gegrillt. Aber dass die Radioaktivität schwächer wird, gilt natürlich nur, wenn der Reaktor nicht noch einmal in die Luft fliegt.«
    »Wäre das denn möglich?«
    »Durchaus. Keiner weiß genau, was in dem Sarkophag vor sich geht. Wir glauben allerdings, dass sich da drin über hundert Tonnen Uranbrennstoff warm halten.«
    »Aber der Sarkophag schützt doch vor jeder weiteren Explosion.«
    »Mitnichten, der Sarkophag ist ein rostiger Eimer, ein Sieb. Er leckt bei jedem Regen, und dann gelangt noch mehr radioaktives Wasser ins Grundwasser und von dort in den Pripjat-Fluss. Der Pripjat mündet in den Dnjepr, und aus dem Dnejpr trinkt Kiew. Vielleicht ist das nötig, damit es die Leute zur Kenntnis nehmen.« Alex zog aus seinem Camo zwei

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