Treue in Zeiten Der Pest
Flamme herauf, ich will ein kleines Feuer machen.«
»Wozu? Was bezwecken Ihr damit?«
»Fragt nicht! Macht schon!«
Joshua lief hinunter. André blickte ihn fragend an, doch Joshua schüttelte nur den Kopf und gab Priziacs Anweisungen weiter. Die Holzscheite, von denen glücklicherweise reichlich vorhanden waren, weil sie zum Feuern des Ofens verwendet wurden, trug Joshua selbst hinauf. Wenig später folgte André mit einem brennenden Reisig.
Priziac legte die Hölzer in drei Stößen aus und entzündete sie eigenhändig. »So reinigen wir die verseuchte Luft«, erklärte er. »Wenn ich das heiße Wasser habe, werde ich das Zimmer außerdem mit Essigwasser auswaschen, das vertreibt die Ausdünstungen. Wir sollten die Kranke zudem höher legen. Fasst an, Ihr Herren.«
Priziac schob ihr zwei weitere Strohsäcke unter Angéliques Körper. »Haltet das Mädchen fest. Je höher es liegt, desto besser. Schlechte Luft steigt nach oben, so können wir hier unten davon nicht angesteckt werden.«
»Hilft das wirklich?«, fragte Joshua.
»Natürlich! Wenn das nicht hilft, dann hilft gar nichts. Oder habt Ihr vielleicht einen besseren Rat?«
Angélique lag unbeweglich und bleich in den Kissen. Obwohl das innere Fieber sie verzehrte, wirkte ihr Gesicht wächsern. Ihre Augen waren geschlossen. Ihr Atem ging flach und schnell. Offenbar begegneten ihr keine Traumgestalten mehr, aber manchmal zuckten ihre Lider.
Joshua beobachtete die junge Frau aufmerksam, dann sagte er: »In Toledo hörte ich davon, dass Hunde die Krankheit übertragen können.«
»Hunde? Unsinn!«
»Es wäre doch denkbar! Hunde sind schmutzige Tiere, sie lungern überall herum…«
Der Magister hielt einen Augenblick lang inne und blickte Joshua spöttisch an. »Ja, spinnt Eure Schmutztheorie nur weiter. Als Nächstes werdet Ihr mir dann wohl erzählen, dass Ratten die Seuche übertragen! Doch egal, was Ihr sagt, Tatsache ist, dass wir nicht wissen, wie die Krankheit übertragen wird. Daher können wir auch kaum etwas dagegen tun. Wir können allerdings dafür sorgen, dass die Kranken nicht sich selbst überlassen bleiben und wir sie so elendig ausstoßen, wie Tiere das bei ihresgleichen tun. Lasst uns daher nicht unnütz diskutieren. Öffnet bitte das Fenster dort drüben, das nach Norden zeigt, der frische Seewind von dort wird uns helfen, die Ausdünstungen zu vertreiben.«
Der Magister begann unterdessen, heißes Essigwasser im Zimmer zu verspritzen, dessen säuerlicher Geruch sich schnell ausbreitete. Schließlich war er zufrieden: »So, das hätten wir. Jetzt kann nichts mehr passieren.«
»Wie lautet eigentlich Eure Diagnose, wenn ich fragen darf?«, entgegnete Joshua daraufhin, den die selbstgefällige Art des Magisters mehr und mehr erzürnte.
Dieser war angesichts des offensichtlichen Zweifels an seiner Kompetenz nicht weniger ungehalten. Unwillig blickte er Joshua an. »Die Kranke leidet unter einer Vergiftung des Blutes. Wodurch sie entstanden ist, kann ich erst sagen, wenn sie zu Verstand kommt und sprechen kann. Wenn sie erwacht, versuchen wir, sie zum Lachen zu bringen, denn durch Freude, Heiterkeit und Zuversicht erreichen wir, dass Geist und Körper kräftiger gegen die Krankheit vorgehen. Aber bis dahin – nun, wie gesagt, ich bekomme das in den Griff.«
»Es handelt sich nicht um eine ansteckende Seuche?«
»Aber wo denkt Ihr hin! Dann müssten wir beide uns ja längst angesteckt haben.« Priziac versuchte, bei dieser Vorstellung zu lachen, doch es gelang ihm nicht ganz. »An was für eine Seuche dachtet Ihr denn?«, fragte er dann.
»An die Pest!«
Bei der Erwähnung dieses Worts zuckte der Magister unwillkürlich zusammen. »Ich ermahne Euch in aller Schärfe, an so etwas nicht einmal zu denken! Allein durch Furcht, Einbildung und das Reden über diese Krankheit könnten sich die Menschen mit ihr infizieren. Also lasst diese Reden sein und habt Vertrauen zu mir!«
»Und wenn es doch die Pest ist?«
»Davor bewahre uns der Herrgott, mein Lieber. Vor allem Euch, mein konvertierter Jude!«
»Habt ihr es schon bemerkt? Der Komet tötet alle Ratten! Er ist uns doch gut gesinnt. Er vernichtet das gesamte Ungeziefer und nimmt uns die schlimme Arbeit ab. Wir sollten ihm dafür danken!«
Diese Nachricht verbreitete sich in Quimper wie ein Lauffeuer. Henri hörte davon auf dem Weg zum Bürgermeister. Am Mittag sollte ein Dankgottesdienst stattfinden, eine Art Nachruf auf den guten, inzwischen nach Süden abgezogenen
Weitere Kostenlose Bücher