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Treue in Zeiten Der Pest

Treue in Zeiten Der Pest

Titel: Treue in Zeiten Der Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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Südwinde.«
    »Aber die gibt es hier nicht.«
    »Ich weiß. Aber wie du bereits sagtest, auch die faulige Luft über stehenden Gewässern und Sümpfen steht im Verdacht, die Verbreitung schlechter Ausdünstungen, die man übrigens Miasmen nennt, zu begünstigen. Und auch der Atem von bereits Erkrankten soll unseren Medici zufolge die Krankheit fördern, sie prüften daher den Puls der Kranken immer mit abgewandtem Gesicht.«
    »Du meinst, ein Kranker kann einen Gesunden mit seinem Atem – oder seinem Husten – infizieren?«
    »Das ist zu befürchten.«
    Henri stöhnte innerlich auf, erzählte Uthman jedoch nichts davon, wie Angélique ihn und Joshua angehustet hatte. Er fühlte nur, wie ihm plötzlich heiß und schwindlig wurde, und fragte: »Wie wird eine solche Krankheit, wenn sie zum ersten Mal auftritt, übertragen? Woher kommt sie?«
    »Das weiß niemand. Unsere Ärzte ordneten bei Epidemien allerdings an, die Kranken zu isolieren. Man schickte die Gesunden aus der Stadt fort, sodass sich die Krankheit nicht über die Stadtgrenzen verbreiten konnte und nach einiger Zeit starb.«
    »Aber woher kommt die Pest? Warum taucht sie plötzlich einfach irgendwo auf?«
    »In Cordoba hörte ich, dass ein ungünstiger Stand von Himmelskörpern einen Ausbruch begünstigen könne. Wenn die drei oberen Sterne, also Mars, Jupiter und Saturn, in einer bestimmten Stellung zueinander stehen, saugen sie krank machende Ausdünstungen von Meer und Land in die Luft, erhitzen und verderben die Winde und schicken sie so wieder auf die Erde zurück. Werden diese Winde vom Menschen eingeatmet, sammeln sich giftige Dämpfe in Herz und Lunge, werden zu einer Giftmasse und verseuchen den ganzen Körper.«
    »Ich weiß nicht, Uthman, das hört sich abenteuerlich an.«
    »Es ist eben nur eine Theorie. Aber du solltest wissen, dass viele arabische Gelehrte, deren Schriften ich in Cordoba studiert habe, davon ausgehen, dass die Konstellation der Sterne den Ausbruch von Krankheiten beeinflusst. Astrologie ist eine seriöse Wissenschaft und an den islamischen Schulen sogar medizinisches Lehrfach.«
    »Das mag stimmen. Dennoch kann ich mir nicht vorstellen, dass sich unsere abendländischen Mediziner mit Astrologie beschäftigen. Viel eher werden sie über solche Theorien lachen. Wenn ich allerdings an den Kometen denke, der uns auf unserem Weg von Süden her die ganze Zeit über begleitet hat, diese blutigrote Fackel, die uns alle so erregt und besorgt hat – wer weiß, vielleicht ist doch etwas dran an deiner Sternentheorie.«
    »Es ist nicht meine Sternentheorie! Ich gebe lediglich wieder, was…«
    Henri, der befürchtete, dass eine längere Diskussion über Astrologie zu nichts führen würde, fiel seinem Freund ins Wort. »In Ordnung, Uthman, ich glaube dir ja. Aber eines haben wir immer noch nicht geklärt. Woher kommt die Pest? Das ist das Einzige, was wir im Moment wissen müssen.«
    Uthman blickte verzweifelt. »Ich weiß es nicht, Henri! Bei Allah, ich habe nicht die geringste Ahnung!«
    Joshua wusste nicht mehr weiter. Er hatte André, der die ganze Zeit über unten in seiner Kammer gesessen und sich ängstlich gefragt hatte, was wohl geschehen würde, zu Magister Priziac geschickt. Angélique hatte begonnen, Blut zu spucken.
    Als Priziac ein weiteres Mal im Haus des Buchmalers erschien, schwang er seine schwere Arznei- und Instrumententasche mit mehr Elan auf das Fußende von Angéliques Lager, als Joshua es ihm aufgrund seines müden Gesichts zugetraut hätte. Angélique war blutbesudelt, ein feiner roter Faden rann noch immer über ihr Kinn unter dem weit aufgerissenen Mund. Offenbar bekam die junge Frau nun auch schwer Luft.
    »Sie hat zu viel Blut in sich«, folgerte der Arzt bei diesem Anblick. »Es drängt bereits nach draußen. Wir werden die Kranke zur Ader lassen müssen, um die überquellende Flüssigkeit zu reduzieren.« Priziac zog ein Messer und mehrere Tücher aus seiner Tasche und machte sich sogleich ans Werk. Anschließend flößte er der Kranken ein Brechmittel ein. »Wir müssen alle Fäulnisgase und alte, faulige Essensreste aus ihrem Körper eliminieren«, erklärte er. »Mein Gott, wie kann ein so schöner Leib innerlich so verfault sein? Aber was nützt mein Gejammer. Ich kuriere sie, ich kuriere sie! Und wenn ich die Fäulnis mit meinen eigenen Händen aus ihrem Körper reißen muss!«
    »Kann ich etwas tun?«, fragte Joshua.
    »Lasst den Hausbesorger heißes Wasser machen. Und holt Holzscheite und eine

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