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Treue in Zeiten Der Pest

Treue in Zeiten Der Pest

Titel: Treue in Zeiten Der Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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anfällig.«
    »Anfällig wofür?«, fragte Joshua erstaunt.
    »Für die Angst. Die Angst kann lähmen oder verrückt machen. Und wenn sie das Letztere tut, handeln die Menschen unvorhersehbar.«
    »Seltsam«, sagte Henri, »noch heute Morgen waren die Menschen vor der Kathedrale so heiterer Stimmung. Und nun ist kaum mehr jemand auf den Straßen zu sehen. In nur wenigen Stunden scheint die Stimmung umgeschlagen zu sein.«
    »Langsam, Henri«, sagte Joshua, »du urteilst voreilig. Wir wissen doch gar nicht, warum kaum jemand auf den Straßen ist. Das kann auch andere Ursachen haben.«
    Henri ließ diesen Einwand unkommentiert. Er teilte Joshuas Hoffnungen nicht, wollte die Freunde mit seinen düsteren Gedanken aber auch nicht unnötig belasten. »Was ich mich frage«, sagte er daher, »ist, ob es einen Zusammenhang zwischen dem plötzlichen Sterben der Nagetiere und dem Ausbruch der Krankheit gibt. Findet ihr nicht auch, dass es sich um ein seltsames Zusammentreffen handelt? Auch was du sagtest, Uthman, weist in diesen Zusammenhang, wenn du es auch anders meintest.«
    »Du meinst, als ich vorhin sagte, die Ratten könnten die Pest vom Deck der Schiffe an Land bringen?«
    »Oder aus den Kellern, Höhlen und Verschlägen der Stadt, aus dem fauligen Brackwasser am Hafen und von diesen Abfallhaufen her.«
    Uthman runzelte die Stirn. »Ratten als Überträger der Pest? Das scheint mir etwas weit hergeholt zu sein. Wo sollen sich die Nager die Krankheit denn geholt haben? Bei den Menschen? Denn irgendwo muss es ja eine Quelle geben.«
    »Vielleicht ist Quelle genau das richtige Stichwort, Uthman. Vielleicht kommt der Erreger aus dem Wasser! Man vermutet doch schon lange, dass Krankheiten durch das Wasser beim Waschen übertragen werden.«
    »Aber das ist nicht erwiesen«, entgegnete Uthman. »Sollten die Ratten allerdings tatsächlich die Krankheit verbreiten, wird man bald wohl alle Barken und Lastkähne im Hafen, die vom Meer herkommen, verbrennen müssen, um die Nager zu vertreiben. Zumindest wird man sie mit Kräuterdämpfen ausräuchern müssen.«
    Joshua stimmte dem Freund halbherzig zu. »Ich weiß, dass die Anwendung stärkender Kräuteressenzen einige Erkrankungen heilen oder zumindest lindern kann. Sie reinigen den Körper. Warum also sollte man mit ihnen nicht auch Schiffe von einer Rattenplage reinigen können? Aber darum müssen sich die Stadträte kümmern, nicht wir.«
    »Ich werde unbedingt noch einmal beim Bürgermeister vorsprechen«, entschied Henri. »Begleitet mich, dann wirken unsere Argumente vielleicht überzeugender. Wir müssen ihn zum Handeln bewegen!«
    »Geht ihr allein«, sagte Uthman zu Henri und Joshua. »Ich werde mich unterdessen am Hafen umsehen. Wir sollten uns ein genaues Bild über die aktuelle Lage verschaffen, vor allem will ich wissen, was die Leute sagen.«
    »Du hast Recht, Uthman«, sagte Henri. »Dann reiten Joshua und ich allein zum Rathaus. Und am Abend treffen wir uns wieder in der Herberge.«
    Maire Michel wollte Henri und Joshua zunächst nicht empfangen, aber sie ließen sich nicht abweisen. Nach einer langen Wartezeit gab der Mann schließlich seinen Widerstand auf.
    »An der Odet sahen wir eine Leiche, die alle Anzeichen der Pest an sich trug. Und überall tauchen Ratten auf, die im Todeskampf verenden. Was sagt Ihr dazu, Bürgermeister?«
    »Ich habe mir davon berichten lassen. Mein Büttel hat mir eine klare Einschätzung geliefert. Es handelt sich um eine Krankheit, die wir schwärendes Fieber nennen. Wir kennen sie seit hundert Jahren. Sie kommt mit den Frühlingswinden über das Meer und befällt vor allem Seeleute. Warum, wissen wir nicht. Doch das ist auch einerlei, denn nach ein paar Wochen verschwindet sie wieder von selbst.«
    Henri und Joshua sahen den Bürgermeister verblüfft an. Joshua ergriff als Erster das Wort. »Bei allem Respekt, Herr Bürgermeister, glaubt Ihr das wirklich?«
    Maire Michel musterte Joshua von oben bis unten. »Ihr seid doch Jude!«, sagte er dann. »Das sehe ich Euch doch an! Aber wo ist Euer gelber Judenflecken? Warum tragt Ihr die symbolische Münze des Geldwechslers nicht, die Euch und Euresgleichen auszeichnet?«
    »Ich sagte Euch doch bereits, dass mein Begleiter kein Jude ist. Er ist konvertiert«, warf Henri scharf ein.
    »Ich bin Bürger der Stadt Paris«, sagte Joshua leise. »Aber darum geht es im Moment gar nicht. Wir müssen eine Krankheit bekämpfen, bei der es sich ganz sicher um die Pest handelt.«
    »Es ist das

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