Treue in Zeiten Der Pest
ihres Abfalls verantwortlich waren, kamen ihrer Aufgabe nicht nach. Jetzt, im Frühjahr, wo sich die Luft langsam erwärmte und der Wind zum Erliegen kam, breitete sich daher ein elender Gestank in den Gassen aus. An einer Stelle der Stadtmauer hatte man zwar aufgegebene Pfahlgruben zu Abfallschächten umfunktioniert, aber gerade dort floss der Stadtbach vorbei, der die Brunnen speiste.
Uthman musste an die Wasserversorgung in seiner Heimat denken. Dort gab es strenge Verbote und Auflagen. Wer im Verdacht stand, öffentliches Wasser verunreinigt zu haben, wurde schwer bestraft. Im Abendland dagegen wurde die Kehrichtordnung offenbar äußerst nachlässig behandelt. Die stinkenden Wassermassen aus den Färbereien, die Gerberflüssigkeit und das Beizwasser der Pergamentmacher flossen ungehindert in die Bäche und Flüsse. Kontrollen gab es kaum.
Allerdings besaß Quimper, wie Uthman erfahren hatte, immerhin zwei Mistrichter, die dafür sorgten, dass die Marktplätze, wo Vieh und Fischfleisch verkauft wurde, sauber gehalten wurden. Den nach den Markttagen eingekehrten Mist verkauften sie zusammen mit tierischem Dung als Brennmaterial.
Der Rat hatte also offenbar ein Interesse daran, die Stadt sauber zu halten. Um dieses Ziel zu erreichen, war allerdings noch einiges zu tun.
Während Uthman sich bei dem Gedanken an all den Unrat, der in den Gassen wegzuräumen war, schüttelte, musste er einem Pulk Schweinen ausweichen, der ihm entgegenkam. Voller Abscheu trat er nach einem der extrem dreckigen Viecher, das zwischen seinen Beinen durchlaufen wollte.
Die meisten Straßen, durch die er kam, waren aufgeweicht, nur wenige waren gepflastert, und durch einige abschüssige Gassen flossen zwischen den Häusern sogar Fäkalien zur Stadtmauer hinab.
Uthman rümpfte die Nase. Im Abendland stinkt es furchtbar, dachte er. Er sehnte sich nach den Wohlgerüchen seiner Heimat. Nach Myrrhe, Weihrauch, Kopan und süßen Blüten. Wer jemals eine Frühlingsnacht in einer Wüstenoase verbracht hat, könnte hier auf die Dauer nicht leben, dachte der Sarazene.
Als er weiterging, sah er, dass mancherorts doch größere Säuberungsmaßnamen getroffen wurden. Das wunderte ihn allerdings nicht wirklich, denn am Morgen hatte man mitten in der Stadt einen Toten gefunden. Nach allem, was Uthman gehört hatte, war offensichtlich, dass es sich um ein erstes Seuchenopfer handelte. Die Stadtväter hatten entsprechende Gerüchte zwar dementiert, aber die Bevölkerung hatte sich nicht ins Boxhorn jagen lassen und mehr Sauberkeit in den Straßen gefordert.
Jetzt, am Nachmittag, hatten sich erste Straßengemeinschaften zur Säuberung der Wasserzuflüsse gebildet. In kleinen Körben sammelte man Dreckgeld, mit dem ein Wagen bezahlt werden sollte, der den allgegenwärtigen Unrat abkarrte. Einige Kinder, die vom Unterricht in der Domschule zurückgekehrt waren, kehrten den Abfall zu diesem Zweck schon einmal zusammen. Darüber hinaus war geplant, einige Schmutzbäche neu einzufassen.
Was seine Abwässer anging, war Quimper erstaunlicherweise gar nicht rückständig. Uthman hatte schon bei ihrem letzten Aufenthalt in der Stadt die steingedeckten Dollen bewundert, die er ansonsten noch nirgendwo in Frankreich gesehen hatte. Es handelte sich hierbei um gewölbte Kanäle, in denen das Abwasser gesammelt und zu Schmutzbächen außerhalb der Stadt geführt wurde, die wiederum in die Odet flossen.
Was die restlichen Abfälle betraf, hatten die Straßengemeinschaften allerdings noch viel zu tun. In den offenen Gräben der Innenstadt sammelte sich der Abfall von Monaten. Und jetzt, wo es wärmer wurde, faulte er immer schneller. Uthman sah darin zurzeit das größte Problem.
Die Stadt würde kaum umhinkommen, Geld für die Säuberung dieser Gräben auszugeben, wenn sie die Seuche bekämpfen wollte, dachte er. Wie durch ein Wunder rückte im gleichen Moment eine Reihe von Arbeitern in blauen Überwürfen an, die mit langen Stangen allen Unrat aus der Tiefe hoben, den sie zu fassen bekamen. Zudem tauchten Überleger auf, die Holzgerüste über morastige Gassen legten und frisches Laub darüber streuten. Sogar Pflaster und Kieselsteine karrte man heran.
Die Arbeiten gingen recht zügig voran. Während Uthman das emsige Treiben beobachtete, erkannte er allerdings, dass es weniger dazu diente, die Straßen zu säubern, als sie hübsch aussehen zu lassen. Gestank und Schmutz wurden einfach durch eine hübsche Larve getarnt. Hier ging es gar nicht um
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