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Treue in Zeiten Der Pest

Treue in Zeiten Der Pest

Titel: Treue in Zeiten Der Pest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Espen
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von der Odetmündung, wo an zerklüfteten Felsvorsprüngen das anbrandende Wasser meterhoch aufschäumte. Hier wurden sie abgebaut und aufgeladen, über harte, salzige Gräser gekarrt und über Heidekraut, das im Wind zitterte, vorbei an Wacholdergestrüpp und der Bucht der Abgeschiedenen, wo das Meer unnatürlich ruhig und gefährlich glatt dalag.
    Auch hier hatten die Steinmetze zahlreiche Kalvarienberge aus dem rohen Stein geschlagen. Und sie hatten kleine Kapellen errichtet, in denen viele der aus Quimper Ausgestoßenen den Herrn darum baten, dass die Seuche verschwinde, damit sie ihre Familien wieder sehen könnten. Rings um die Steinmonumente herum lagerten die Menschen, die zwar von der Pest verschont geblieben waren, aber ihr Zuhause verloren hatten, in provisorischen Unterkünften aus Holz und Stroh.
    Zwischen Loctudy und dem wild zerklüfteten Ponte du Raz schien die Luft reiner zu sein als in Quimper. Die Ausgestoßenen standen am Meer und schauten in die Ferne, als ob von dort aus Rettung zu erwarten wäre.
    Die Pest war bisher noch nicht über die Stadtmauern von Quimper hinausgekommen. Sie fand allzu reiche Beute im Inneren der Stadt. Aber wie konnte das sein?, fragten sich die, die überlebt hatten. War die Seuche nicht über das Meer gekommen? Mit irgendeiner Fracht, in irgendwelchen Laderäumen, in denen es vor Ratten wimmelte?
    Die Ausgestoßenen zogen den Maurern, Steinmetzen und Steinbrechern hinterher, die immer mehr Kalvarienberge bauten. Denn dort, wo die Mahnmale entstanden, war Trost. Und es gab zu essen und zu trinken, denn die Bewohner umliegender Ortschaften brachten den Bedauernswerten, was sie entbehren konnten. Auf diese Weise bildeten sich ganze Kolonien. Die Not schuf eine neue Lebensweise.
    An diesem Morgen brachen die Kolonien zu einem neuen Bauplatz auf, der sich der Seuche entgegenstellen sollte. Die Arbeiter waren unermüdlich. Vom Morgengrauen bis zum Einbruch der Nacht entstanden jeden Tag neue Kreuze mit verzierten Sockeln und Balken.
    Die meisten Monumente wirkten auf den ersten Blick schlicht, fast wie Mastbäume mit Rahen, vor allem, wenn sie von Maurern aus Hafenstädten angefertigt worden waren. Doch ebenso wie jene, auf denen unzählige Figuren in andächtigem Gebet versunken zu sehen waren, wurden sie mit großer Kunstfertigkeit gestaltet. Auf den meisten Monumenten wurden jetzt neben dem Leben und Sterben Christi das Leben und Sterben einfacher Menschen dargestellt, denen die Pest ihre Zeichen eingraviert hatte.
    Jedes Mal, wenn ein neuer Kalvarienberg fertig gestellt worden war, wurde gemeinsam gebetet. Die Arbeiter und ihre Helfer saßen im Moos oder auf nackten Felsen und flehten zu Gott, dass die Seuche aufhören möge und die jetzt noch getrennten Menschen wieder zusammenkommen könnten.
     
     
    Joshua und Uthman begleiteten den Medicus auf seinen Krankenbesuchen durch die Stadt. Das Leid der Seuchenopfer nahm sie sehr mit. Sie ahnten nichts von den unzähligen Kalvarienbergen, die rings um Quimper herum entstanden, und fragten sich, wie alle anderen Bewohner auch, ob es je eine Rettung für sie geben würde und ob überhaupt noch jemand an sie dachte.
    Angélique lag immer noch auf ihrem Krankenbett, mittlerweile regte sie sich kaum noch, und sie hatte fast keine lichten Momente mehr. Martha, die Frau des Hausbesorgers, war inzwischen ebenfalls erkrankt. Sie wurde von ihrem Mann gepflegt, sodass dieser nur noch selten im Haus des Buchmalers zu sehen war.
    Von Tag zu Tag lagen mehr Leichensäcke in den Straßen von Quimper. Die Pestglocken verstummten fast gar nicht mehr.
    Henri begleitete den Medicus und seine Gefährten an diesem Morgen nicht. Er war allein losgezogen, um sich sein eigenes Bild davon zu machen, wie sehr die Pest das Leben in der Stadt verändert hatte. Zur Tarnung trug auch er dabei die raubvogelartige Pestmaske, die jetzt immer mehr Einwohner von Quimper überstreiften, wenn sie auf die Straße gingen.
    In der Innenstadt roch es nach einem höllischen Gemisch aus Vitriol, Arsen und Schwefel. Seltsam, dass er und die Gefährten sich bislang noch nicht infiziert hatten, dachte Henri, während er durch die Straßen ging. Offenbar besaßen sie irgendetwas, das sie gegen eine Ansteckung immun machte. Wenn er nur wüsste, was es war, könnte er dieser Stadt vielleicht helfen. Doch er wusste es nicht, er konnte nur spekulieren.
    Henri kam in ein Viertel, in dem er noch nicht gewesen war. Hier gab es auffallend viele Krüppel. Männer ohne Beine

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