Treuepunkte
stöhnt Heike, »der schnöde Mammon hat für uns keine Bedeutung. Wir lieben uns. Das ist der Grund.« Sie macht eine lange Atempause und dann bricht es aus ihr heraus: »Und außerdem wollen wir ein Baby.« Ein Baby. Heike. Die Heike, die mal gesagt hat, dass diese plärrenden Ungeheuer verboten gehören. Diese Heike will jetzt ein Baby? Aha, das ist nun wirklich eine Wahnsinns-Neuigkeit. »Glückwunsch«, sage ich und bin mir nicht sicher, ob das die adäquate Reaktion ist. »Danke«, lacht sie und ergänzt: »Übrigens, ich brauche dann deine Hilfe. Weil du ja erfahrener mit dem Thema bist.« Was für ein merkwürdiger Satz. Was soll das bedeuten? Will sie mich fragen, ob ich das Kind für sie austrage? Als Leihmutter fungiere? Also, bei aller
Freundschaft, beste Freundin hin oder her, ich glaube, das wäre nichts für mich. Schwanger sein, Wasser in den Beinen haben, grauenvolle Wehen und dann, sobald es rausgepresst ist, das Kind abgeben. Das wäre ja so ähnlich, als würde man monatelang strengste Diät halten und jemand anders nimmt ab. »Soll ich das Kind kriegen?«, frage ich leicht konsterniert nach. Ich hoffe, ich klinge nicht zu entsetzt. »Quatsch, das könnten wir ja theoretisch selbst«, beruhigt sie mich. »Wir wollen nicht schwanger sein – weder die Lea noch ich.« Muss ich mir jetzt um die Biologiekenntnisse meiner Lieblingsfreundin Gedanken machen? Ihr vorsichtig mal die kleine Biene-und-Blüten-Geschichte erzählen? Bevor ich nachfragen und ansetzen kann, redet sie schon weiter: »Diese Geschichte mit den Spendersamen und so, die finden wir blöd. Der Hugo würde sich zwar zur Verfügung stellen, aber irgendwie ist uns das nicht recht.« Hugo ist ein enger Vertrauter von Heike, lebt auch in München, hat einen Friseursalon und ist eine Art Vorzeigeschwuler. Er kennt sogar Udo Walz und den Wowereit von Berlin. »Und wie soll das dann gehen?«, wundere ich mich wahrscheinlich ein wenig naiv, aber doch zu Recht. »Wir werden ein Baby adoptieren, so wie der Patrick Lindner und sein Ex-Freund, und damit wir dann nicht so einen Affentanz ums Kind haben, werden wir vorher heiraten. Es soll ja unser Kind sein.«
»Wow«, sage ich, weil mir einfach nichts anderes einfällt. »Das ist ja echt eine Neuigkeit und da hältst du so lange mit hinterm Berg und lässt mich erst den ganzen Christoph-Schlamassel erzählen. Unglaublich. Meine Freundin heiratet.« »Was ist denn daran unglaublich? Meine Freundin – du nämlich – ist doch auch verheiratet.
Soll vorkommen in unserem Alter.« Ups, da ist mir ein ziemlicher Fauxpas unterlaufen. Heike ist, was das Lesbenthema angeht, ein klein wenig sensibel. War auch irgendwie doof von mir. »Ich freue mich für euch«, schiebe ich nach und es stimmt auch.
Ich mag die Liebste meiner liebsten Freundin. Sehr sogar. Anfangs war ich ein klitzekleines bisschen eifersüchtig, nach dem Motto: Die nimmt mir meine Freundin weg. Heike hat mich damals beruhigt: »Du bist meine beste Freundin und sie ist meine Loverin. Das sind definitiv zwei Paar Schuhe.« Womit sie, wie so oft, natürlich Recht hatte. Außerdem: Lea tut Heike gut und umgekehrt. Mehr sollte man wohl kaum von einer funktionierenden Beziehung erwarten.
»Wir werden in etwa drei Monaten heiraten. Willst du meine Trauzeugin sein?«, ist Heike schnell wieder versöhnt. »Ich wäre sehr geehrt«, antworte ich und fühle mich auch genau so. Geehrt. Ich sehe mich jetzt schon schluchzend im Standesamt stehen. Ich bin sehr schnell sehr gerührt. Egal ob Hochzeit oder Beerdigung, Andrea Schnidt weint gerne mal.
»Gräm dich nicht wegen deines Kerls, der ist schneller wieder am Platz, als du denkst«, kommt Heike wieder auf unser Eingangsthema zurück. »Hoffe ich doch sehr«, beschließe ich das Gespräch und verspreche, morgen nach dem Arbeitsamt anzurufen und haarklein Bericht zu erstatten. Umgekehrt verspricht sie, in den nächsten Tagen Hochzeitsdetails zu liefern. Was, wann, wie und wo. Ich beteure nochmal, wie toll ich es finde, dass sie heiratet, und wie glücklich mich das macht und dann verabschieden wir uns.
Eine beste Freundin ist etwas Feines. Eine beste Freundin in München ist weit weg. Nicht undankbar werden, Schnidt, ermahne ich mich, andere haben überhaupt keine beste Freundin. Manchmal wäre es trotzdem schön, einfach auf einen Kaffee vorbeigehen zu können. Vor allem in einer Situation wie dieser. Noch immer kein Anruf von Christoph. Sturer Bock. Andererseits hat es so auch Vorteile. Meine
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