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Treuepunkte

Treuepunkte

Titel: Treuepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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Keine Überfliegerin,
aber solide. Alles Zwei, bis auf Mathe und Religion. Keine Ausrutscher in den Einser-Bereich, aber eben auch keine nach ganz unten. Die Matheschwäche hat sie wahrscheinlich von mir. Ihre Lehrerin meint, sie solle aufs Gymnasium. Damit sind Christoph und ich generell einverstanden. Zum Glück. Sich gegen die Empfehlung des Lehrpersonals zu stellen, kostet Mut. Zu sagen: »Ich finde, mein Kind gehört aufs Gymnasium«, wenn die zuständigen Lehrer für die Realschule plädieren, ist anstrengend. Wenn man das geklärt hat, geht das Gezacker aber erst richtig los.
    Welche Schule darf es denn sein? Ich neige in dieser Hinsicht zu einem gewissen Pragmatismus. Warum nicht die auswählen, die am besten erreichbar ist? Wäre das nicht extrem praktisch? Bei uns stehen gleich fünf Schulen zur Auswahl: Ein Mädchengymnasium, ein Gemischtes Gymnasium, ein Humanistisches, die Gesamtschule und die Internationale Schule. Alle sind, jedenfalls theoretisch, gut erreichbar. Das macht die Entscheidung natürlich nicht einfacher.
    »Am besten, sie geht dahin, wo auch ihre Freundinnen hingehen, dann fühlt sie sich sicher am wohlsten«, habe ich zu Christoph gesagt. Über solch vermeintliche Naivität kann mein Mann nur den Kopf schütteln: »Hier geht es nicht ums Wohlfühlen, hier geht es um die Zukunft unserer Tochter«, hat er in sehr staatstragendem Ton erklärt und mir dann erläutert, warum eigentlich nur die Internationale Schule infrage kommt. »Bei dem zukünftigen Konkurrenzkampf macht es Sinn, dass unsere Tochter zweisprachig aufwächst.« Es folgte ein kleiner Vortrag zum Thema Globalisierung an und für sich. Ich
finde, das ist totaler Quatsch. Schon aus ökonomischen Gründen. Wir können uns diese internationale Schule nicht leisten. Sie kostet 1500  Euro im Monat und dass somit der Rest der Familie nur noch Toastbrot und Nudeln zu sich nehmen könnte, damit Fräulein Tochter auf die Internationale Schule gehen kann, fände ich unzumutbar. Außerdem: Wieso soll das Kind zweisprachig aufwachsen? Das macht Sinn bei Menschen, deren Kinder aus einer Familie kommen, in der von Haus aus zwei Sprachen gesprochen werden. Wenn zum Beispiel die Mutter Engländerin ist oder der Vater Japaner. Aber ich bin aus Hessen und Christoph ebenfalls. Oder wenn Leute vorhaben, nur kurze Zeit in Deutschland zu leben und dann nach Amerika gehen – bei Diplomaten- oder Politikerkindern eben. Oder Kinder von Vorstandsvorsitzenden, die alle zwei Jahre in andere Länder versetzt werden. Für all diese Kinder mag eine Internationale Schule sinnvoll sein. Aber für Claudia? Lernt man in einem normalen Gymnasium nicht auch Englisch?
     
    Christoph war erst nach einem Besuch der Internationalen Schule kuriert. Wir waren am Tag der offenen Tür dort. Christoph ist schon auf dem Parkplatz mit offenem Mund rumgelaufen. Nur monströse Geländewagen, Sportwagen und weit und breit kein Polo, Sharan oder Ford Fiesta. Christophs ganzer Stolz, sein kleiner BMW , wirkte so, als sei er im falschen Film. So wie bei einem Suchbild: Finde den Fehler! Was gehört hier nicht dazu? Richtig: Der einzige Wagen unter 100   000  Euro. Mein Mann sah aus, als würde er gleich eine schlimme Attacke von Sozialneid bekommen. Er war kurz davor, einige Wagen
auf dem Parkplatz ehrfurchtsvoll zu streicheln. Und dann die anwesenden Eltern. Alle vom selben Schlag. Schick, behängt mit Statussymbolen, Prada-Täschchen, Tiffanygeschmeide und die Männer in Polo-Ralph-Lauren-Hemden. Eine sehr eindimensionale Welt. Eine Welt, in der Geld keine Rolle, und doch die größte Rolle überhaupt spielt. Als zwei Mütter sich neben mir über ihre Probleme mit den Yachtstellplätzen in Cannes ausgetauscht haben, wusste ich definitiv, dass diese Welt mit unserer Reihenhauswelt nicht kompatibel sein würde. Ich will nicht, dass meine Tochter in einem solchen Umfeld aufwächst, einer Welt, in der Drei-Zimmer-Wohnungen nicht existieren. Wir haben uns relativ schnell und unauffällig vom Schulgelände geschlichen. Christoph war auch ziemlich einsichtig. Vor allem, als ich ihm vorgerechnet habe, was es heißen würde, wenn auch sein Sohn in das Alter für einen Schulwechsel kommt. »Gleiches Recht für alle«, habe ich gesagt und 1500 mal zwei ist nun mal 3000 . »Kannst du dreitausend Euro im Monat bezahlen nur für die Schule deiner Kinder?«, habe ich gefragt. »Selbst wenn ich könnte, es ist doch nicht das, was ich mir für meine Kinder wünsche. Das wäre ja so, als

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