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Treuepunkte

Treuepunkte

Titel: Treuepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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Ihre Tochter kommen. Selbstverständlich, Frau Schnidt. Es wäre uns eine Ehre.« Dann können wir ja immer noch sagen: »Nee danke. Wir haben es uns anders überlegt.«
    Er begrüßt uns und wir nehmen in einer kleinen Sitzecke Platz. Zur Eröffnung fragt er erst mal nach dem Herrn Gemahl. »Arbeit, Arbeit, Arbeit«, antworte ich und um das zu bekräftigen, erzähle ich noch was von einem wichtigen Prozess. Keine Ahnung, ob das stimmt, aber es klingt als Ausrede doch recht gut. Der Direktor, Herr Doktor Leopold Knuschke, zeigt Verständnis. »Na, dann wollen wir mal«, eröffnet er das Einstellungsgespräch.
    »Wieso willst du denn hier auf unsere schöne Schule?«, fragt er Claudia. »Weil hier keine Jungen hinkönnen!«, antwortet sie, ohne den Hauch eines Zögerns. Kurz, knapp und präzise. »Magst du denn keine Jungs?«,
ist seine Anschlussfrage. »Nein!«, ruft Claudia so laut, dass es sicher auch noch auf dem Schulhof zu hören ist. Ich mische mich ein. Plappere was von Untersuchungen, nach denen Mädchen auf Mädchenschulen besser in Naturwissenschaften sind und ungehemmter und vor allem ungestörter lernen können. Er nickt, kennt die Untersuchungen sicherlich besser als ich und will etwas über unser Verhältnis zur Religion wissen.
    »Claudia«, spricht er wieder unsere Tochter an, »geht ihr denn gerne zur Kirche?« Bevor sie antworten kann, ruft ihr Bruder: »Nee. Das ist doof.« Claudia guckt erschrocken, ahnt augenscheinlich, dass das nicht die Antwort ist, die der Herr Doktor Knuschke hören will, und sagt mit leiser Stimme: »Ich würde gerne, aber meine Eltern schlafen immer so lange.« Prima, wie sie den Ball weitergespielt hat. Einen, der fast schon im Aus war. Bravo. Jetzt kann ich sehen, wie ich aus dem Dilemma rauskomme. Schon schaut der Herr Direktor auf mich. Ich lache ein wenig verlegen und merke, wie ich einen roten Kopf bekomme. Wie eine Achtjährige, die beim Schwindeln erwischt wird. »Ha, ha«, versuche ich, charmant die Kurve zu kriegen, »da ist was dran. Wir sind immer so schrecklich müde am Wochenende.« Er mustert mich streng. »Kommt daher auch die Drei in Religion?«, bohrt er weiter. Claudia nickt traurig, wie ein armes Hascherl, dem der wöchentliche Kirchgang von ihren verpennten Eltern standhaft verwehrt wird.
    Ich überlege fieberhaft, womit ich hier Eindruck schinden könnte. »Mein Mann war mal Messdiener«, spiele ich einen kleinen vermeintlichen Trumpf aus. Mir fällt sonst nichts ein. Stimmt nicht, jedenfalls hat er noch nie gesagt,
dass er einer gewesen sei, aber es wird ja wohl kaum Listen geben, in denen das noch heute zu überprüfen ist. Herr Direktor Knuschke wirkt nicht sehr beeindruckt. Wie ich denn mit der Papstwahl zufrieden bin, möchte er noch wissen. Ich weiß, dass ich schlecht sagen kann, dass es mir relativ egal ist, welcher alte Mann gewonnen hat, habe aber mal irgendwo gelesen, dass die progressiveren Kräfte in der Kirche für einen Südamerikaner plädiert haben. »Ich hätte es auch den Südamerikanern gegönnt«, versuche ich, eine einigermaßen schlaue Antwort zu geben. Die Papstwahl ist wirklich nicht das Terrain, auf dem ich mich wohl fühle. »Ja, das kann man so oder so sehen«, beendet er das Thema schon wieder. Ich glaube, Zustimmung klingt anders.
    »Mathematik scheint nicht dein Lieblingsfach zu sein?«, startet er die nächste Fragerunde und schaut Claudia erwartungsvoll an. »Nein«, sagt sie. Sonst ist meine Tochter immer sehr gesprächig, hier beschränkt sie sich aufs Allernötigste. Immerhin sie antwortet. »Sie ist sehr gut in Deutsch«, versuche ich, einen Ausgleich zu schaffen. Meine Güte, was für eine Anbiederei. Am liebsten würde ich sagen: »Na dann halt nicht«, und gehen. Aber ich sehe meine angespannte kleine Tochter und weiß, sie will unbedingt. Also schmeiße ich mich in die Bresche, obwohl ich diese Gesprächsrunde alles andere als gemütlich finde. »Sehr gut in Deutsch, aha«, brummt der Herr Direktor und holt aus einer Mappe Claudias Zeugnis, »ich würde sagen, gut entspricht den Tatsachen.« Oh, was für ein kleinkarierter Affe. Ich will hier raus. Werden wir jetzt auch noch gefragt, ob und wie wir verhüten, oder was?
    »Sind Sie sozial tätig?«, erkundigt sich Doktor Knuschke stattdessen. »Ja, also«, versuche ich, Zeit zu gewinnen, »ich spreche nicht gern darüber, weil es ja irgendwie selbstverständlich ist, aber ich kümmere mich um ältere Nachbarn, vor allem Nachbarinnen, und lade sie zum Kaffee ein

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