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Treuepunkte

Treuepunkte

Titel: Treuepunkte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Fröhlich
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an den Innenseiten der Schenkel. Trotzdem, er geht durch. Aber mein Kopf. Ich habe einen langweiligen Kopf. Also besser gesagt, eine langweilige Frisur. Meine Haare hängen, obwohl sie frisch gewaschen sind, runter wie zu lang gekochte Spaghetti. Al dente sind sie wirklich nicht. So lasch. Das auf meinem Kopf Frisur zu nennen, wäre gewagt. Und meine Haarfarbe ist kaum besser als die von Helmuth. Ich beschließe, mir was Gutes zu tun. Ich kann schlecht an Helmuths Frisur rumnörgeln und gleichzeitig
selbst aussehen, als würde ich mir mit der Nagelschere die Haare schneiden – wenn überhaupt. Mein Haar war schon immer schwierig. Meine Hauptproblemzone. Ich kaufe jede Frauenzeitschrift, die Frisuren auf dem Titel hat und Hoffnung verspricht. Ich bräuchte jemanden, der jeden Morgen vorbeischaut und das bisschen auf meinem Kopf föhnt, mit Rundbürsten bearbeitet und stylt. Da ich aber nicht Camilla heiße und mit Prinz Charles verheiratet bin und deshalb auch kein 3000 -Euro-Budget im Monat übrig habe, muss ich selbst sehen, wie ich mit dem Elend zurechtkomme. Das führt dazu, dass ich mein halblang gezüchtetes Haar meist einfach nach hinten kämme und einen Gummi rein mache. Das, was hinten aus dem Haargummi rausschaut, könnte man, wenn man sehr optimistisch ist, Pferdeschwanz nennen. Mauseschwanz würde es von der Menge her eher treffen.
    Ich werde zum Friseur gehen. Ja, das ist es. Ich lasse mir einen neuen Kopf machen. Es gibt massenweise Friseure in der Innenstadt und trotzdem handele ich mir vier Absagen ein. »In drei Wochen könnten Sie Donnerstag um siebzehn Uhr fünfzehn einen Termin haben«, näselt mir eine aufgebrezelte Empfangsdame schließlich im absoluten In-Salon entgegen. Aber damit ist mir leider auch nicht geholfen. Wenn ich zum Friseur will, dann muss es sofort sein. Ich bin keine gute Planerin. Jedenfalls nicht, wenn es um meine Haare geht. Sofort oder gar nicht. Wer weiß denn schon, wie es um meine Entscheidungsfreude in drei Wochen bestellt sein wird. Anscheinend gucke ich so enttäuscht, dass die Frau ein Einsehen hat. Sie schaut mir auf die Haare und man sieht, dass sie die Dringlichkeit erkennt. Ihr Entsetzen kann sie kaum verbergen.
»Sie könnten beim Miro gleich drankommen«, bietet sie mir an. Bevor ich nachfragen kann, warum außer mir niemand einen Termin beim Miro haben will und das in einem Salon, der ansonsten bis in drei Wochen ausgebucht ist, erklärt sie: »Der Miro ist unser Azubi, aber fast schon fertig.« Ich zögere, schließlich ist mein Kopf kein Experimentierfeld oder Testgelände, aber sie ruft ihn schon. Miro ist ein schwarzgekleideter Hüne mit einem imposanten tigerartigen Tattoo auf dem linken Arm und Ketten um den Hals, als würde er nebenbei als Rapper arbeiten. Obwohl ich noch immer nicht ja gesagt habe, reicht mir Miro einen Umhang und ehe ich mich wehren kann, sitze ich auch schon mit schwarzem Frisierumhang vor einem Spiegel. Erstaunlicherweise sind gerade Friseure oft Menschen, die erstaunlich schlecht frisiert sind. Bei Miro kann ich das allerdings nicht beurteilen. Er hat keine Haare. Er trägt Glatze. Ob es an verfrühtem Haarausfall liegt oder einfach nur stylisch sein soll, weiß ich noch nicht. »Und«, begrüßt mich Miro, »wie willst du deine Haare?« Der duzt mich einfach. Das heißt, ich sehe jung aus. Immerhin. »Kann ich ein paar Hefte haben, um mir eine Frisur auszusuchen?«, frage ich ein wenig eingeschüchtert. »Hefte?« Miro guckt, als hätte ich beim Friseur einen Teller Rigatoni extra scharf bestellt.
    Ich fand diese eingeschweißten Ordner mit den Frisurenbildern früher immer sehr hilfreich, aber anscheinend haben sich die Zeiten geändert. Dann muss ich eben sehen, wie ich ihm so erkläre, was ich will. »Ich hätte gerne mehr Haare. Also, es soll so aussehen, als hätte ich mehr Haare«, beginne ich mit der Beschreibung meines Wunschkopfes. »Zaubern kann ich nicht!«, lacht der
Kerl da nur frech. »Da muss auf jeden Fall Farbe rein«, sagt er und streift mit den Fingern durch meine Haare. Er hat sehr seltsame Finger. Das dritte Fingerglied, das, wo dann auch der Nagel ist, ist etwa doppelt so lang wie üblich. Mindestens doppelt so lang wie das mittlere Glied. Dass so eine kleine Abweichung vom Durchschnitt so auffallen kann, hätte ich nicht für möglich gehalten. Ob ihn das genauso stört wie mich meine Haare? Weiß er es überhaupt? Ist das ein familiäres Merkmal? Oder was Krankhaftes? Ich bin richtiggehend fasziniert von

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