Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
Urteilsspruch.
»Nicht nur.« Ich nahm einen Biss von meinem Champignonsandwich.
»Was soll das nun wieder heißen?«, wollte John wissen.
Ich zuckte die Achseln, als wäre das alles bereits Schnee von gestern. »In letzter Zeit hat sich vieles getan. Und der ganze Stress, die Geheimnisse …«
»Was für Geheimnisse?«, fragte Sophie. »Ich dachte, du hättest uns alles erzählt.«
Sofort plagte mich wieder das schlechte Gewissen. Es gab durchaus noch einiges, das nie ans Tageslicht kommen
würde. Zum Beispiel, dass ich Eric gar nicht getestet hatte. Das konnte ich Sophie nie und nimmer gestehen.
Ich stierte auf meinen Teller, um ihrem Blick auszuweichen. »Hab ich auch. Ich rede von meinen Geheimnissen vor Jamie, vor meiner Mutter … vor allen anderen.«
»Dann willst du also allen reinen Wein einschenken?«, fragte Zoë zweifelnd.
Mir wurde flau. So hatte ich das nicht gemeint. Ich hatte mir geschworen, Jamie in Paris einzuweihen, doch was alle anderen anging, hatte ich gehofft, wenn ich künftig ehrlich wäre, würden mir quasi die Sünden der Vergangenheit erlassen werden. Ich hatte nicht vor, jedem Einzelnen meiner Mitmenschen die Wahrheit zu beichten. Schließlich wollte ich auch weiterhin ein gutes Verhältnis zu ihnen haben.
»Ich weiß es noch nicht. Eher nicht«, sagte ich zögernd. »Ich fände es nur schön, wenn ich in Zukunft ohne Schwindeleien auskäme.«
»Und, was willst du jetzt beruflich machen?«, erkundigte sich Sophie. »Von irgendetwas musst du ja leben.«
Tja, das war sie, die Millionenfrage. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ich hatte noch immer keinen blassen Schimmer. Ich seufzte und griff zu meinem sündteuren Sandwich. Wie lange würde ich mir einen solchen Luxus wohl noch leisten können? »Keine Ahnung. Mit meinen Ersparnissen komme ich ungefähr ein halbes Jahr aus, und bis dahin ist mir hoffentlich etwas eingefallen.«
Die drei nickten fast synchron und wussten offenbar nicht, was sie sagen sollten. Mit meinen echten Problemen waren sie eben überfordert. Sie hatten sich daran gewöhnt, dass ich über meine fiktiven Arbeitskollegen jammerte, aber das hier war Neuland für sie.
Also ergriff ich erneut das Wort, legte ihnen dar, was mir in den vergangenen Tagen durch den Kopf gegangen war.
»Ich habe noch einen allerletzten Auftrag zu erledigen, und danach ist es …« Ich brach ab, harrte der Welle der Verzückung, der Besorgnis, der panischen Angst, die mich beim nächsten Wort zu überrollen drohte. »Vorbei.«
Sophie nippte an ihrer Diätcola. »Und wenn dich jemand anruft, um dich zu engagieren?«
Auch daran hatte ich bereits gedacht. »Ich schätze, ich werfe einfach das Telefon weg. Kündige den Vertrag. Wie auch immer. Eine Weile muss ich es noch behalten, falls irgendwelche Nachfragen kommen, aber dann … ab damit in den Mülleimer, genau wie so vieles andere«, sagte ich stolz, weil ich alles schon so genau geplant hatte. Es gab kaum eine Frage, die ich ihnen nicht hätte beantworten können, kaum ein Detail, über das ich nicht bereits entschieden hatte.
»Was ist mit diesem Raymond Jacobs?«, fragte Zoë. »Weißt du schon, was du diesbezüglich unternehmen wirst?«
Okay … das war eines der wenigen ungelösten Probleme. Ich zog die Schultern hoch. »Nein, leider nicht. Meine Karriere steht ja nun nicht mehr auf dem Spiel, aber er weiß, wo meine Familie wohnt. Er hat bereits Kontakt mit Hannah aufgenommen.«
»Sag deiner Familie doch einfach, was Sache ist.« Sophie hielt Aufrichtigkeit nach wie vor für die beste Strategie.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, auf keinen Fall. Sie würden nie wieder ein Wort mit mir reden. Und wie sollte ich es Hannah beibringen? Sie ist so naiv und fängt gerade erst an, sich für Jungs zu interessieren. Außerdem höre ich vor allem deshalb auf, als Treuetesterin zu arbeiten, damit meine Familie nie davon erfährt. Wäre also ziemlich kontraproduktiv, es ihnen zu erzählen.«
Sophie nickte widerstrebend und alles andere als überzeugt.
Ich schnaufte. »Tja, da lasse ich mir auch noch eine Lösung
einfallen. Mir bleibt gar nichts anderes übrig.« Kaum hatte ich es ausgesprochen, fühlte ich mich entmutigt. Würde ich tatsächlich mit diesem Ekel schlafen müssen, um meine Haut zu retten? Und wer garantierte mir, dass er dann aufhörte, mich zu erpressen? Es musste eine andere Möglichkeit geben, und ich war fest entschlossen, sie zu finden.
»Und worum geht es bei deinem letzten Auftrag?« fragte Zoë.
Mein letzter
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