Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
gar nicht gehört.
Das klang besorgniserregend ernst. Geradezu beklemmend.
Mein Atem ging unwillkürlich flacher. »Nämlich?«
Jamie rutschte auf seinem Stuhl umher, als träfe er Vorkehrungen für eine dreistündige Kinovorstellung von Herr der Ringe . »Ich weiß nicht, wie ich es dir beibringen soll.«
Ich schluckte. »Warum denn?«
»Weil ich fürchte, dass du dich darüber aufregen wirst.«
»Verstehe.« Ich rüstete mich. Ich wusste, was jetzt kam. Er würde mir reinen Wein einschenken. Schluss mit den Lügen, den Betrügereien. Dem Verschweigen der Tatsache, dass er verheiratet war. Jetzt war das angesagt, was man in den Geschichten über französische Könige und ihre Mätressen vergeblich sucht: Ehrlichkeit.
Die große Frage lautete nur: Wollte ich die Wahrheit überhaupt hören?
Waren seine Sünden lässlich? Würde es alles in Ordnung bringen, wenn er reinen Tisch machte? Wäre er dann frei?
Oder war es längst zu spät?
Jedenfalls wäre damit mein Auftrag hinfällig.
Wenn mir ein zu testender Mann gesteht, dass er verheiratet ist, und dann mit einer höflichen Entschuldigung die Fliege macht, hat er in meinen Augen bestanden. Dann wandert die für ihn bestimmte schwarze Karte in den Müll. Nicht, dass das schon allzu oft der Fall gewesen wäre. Die meisten meiner Testobjekte geben zwar zu, dass sie verheiratet sind, aber wenn sie Ashlyns »Na, und?«-Blick aufschnappen, machen sie trotzdem weiter.
Doch wie gesagt, ich konnte Jamie nicht mit den übrigen Kandidaten vergleichen. Er war ganz anders. Und ich war definitiv nicht dieselbe wie sonst.
Ich hatte Ashlyn auf diese Reise mitgenommen in der Hoffnung, sie würde mir helfen, das alles heil durchzustehen, doch bislang hatte sie sich kaum blicken lassen. Sie passte einfach nicht in die Gleichung.
Jamie holte tief Luft. Kratzte sich an der Backe und suchte nach den passenden Worten.
Dann sah er mir in die Augen. »Es kann sein, dass ich schon früher als geplant nach Hause muss.«
Ich starrte ihn verdutzt an. Was hatte er gesagt? Ich hatte das Wort »Ehefrau« gar nicht gehört. Vielleicht kam das ja
im nächsten Satz, wenn er sagte »weil mich meine Frau erwartet« oder »weil meine Frau möchte, dass ich sie auf eine Dinnerparty begleite« oder meinetwegen »weil ich vergessen habe, die Kleider meiner Frau aus der Reinigung zu holen«.
Also setzte ich eine enttäuschte Miene auf und spielte weiter die Ahnungslose. »Oh, nein! Wieso das denn?«
Er zupfte sich nervös am Ohrläppchen.
Jetzt kommt’s, dachte ich.
»Weil unser Kunde angeblich in letzter Sekunde ein weit günstigeres Angebot von einer anderen Firma erhalten hat. Sollte er sich tatsächlich gegen uns entscheiden, hätte ich offiziell keinen Grund mehr, hierzubleiben.«
Mit heruntergeklappter Kinnlade lauschte ich seinen Ausführungen über Auftragsvergabe und Angebotsanfragen, ohne richtig zuzuhören.
»… Du weißt ja, wie unberechenbar die Leute sind, vor allem, wenn sie so viel Geld hinblättern müssen. Eben bist du noch der Star in der Branche, und im nächsten Moment lassen sie dich fallen wie eine heiße Kartoffel. Außerdem braucht mich meine Firma dringend in L.A. Dort warten schon mindestens drei weitere Kunden.«
»Was?«, würgte ich hervor.
Jamie legte den Kopf schief und fragte sich offenbar, welches Detail seiner Enthüllung noch weiterer Erklärungen bedürfen konnte.
»Das wolltest du mir sagen?«
Er runzelte die Stirn. »Ja. Warum fragst du?«
Ich versuchte, meiner Überraschung Herr zu werden, was ungefähr so gut klappte wie das Reinigen einer Windschutzscheibe, wenn der Wischer defekt ist. »Dann reisen wir also früher als geplant ab?«
Jamie seufzte. »Siehst du, ich wusste, du würdest dich aufregen.
Es tut mir so leid. Morgen erfahre ich hoffentlich Genaueres. Ich würde ja gern trotzdem bleiben, aber wenn uns der Kunde den Geldhahn zudreht, wird mich meine Firma stante pede zurückbeordern.«
Ich nickte benommen. »Schon klar.«
»Bis jetzt steht noch gar nichts fest. Ich wollte dich nur schon mal vorwarnen. Ich habe es absichtlich nicht früher erwähnt, um uns nicht den Tag zu verderben.«
Ich klappte den Mund zu und versuchte, mich zu sammeln und verständnisvoll zu klingen. »Wann müssten wir denn dann nach Hause fliegen?«
»Übermorgen«, erwiderte er bedrückt. »Du kannst natürlich gern bleiben, aber ich hätte keine andere Wahl; ich müsste zurück.«
Ich schwieg, weil ich nicht so recht wusste, was ich sagen sollte, und
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