Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
bist?«
Ich zuckte die Schultern. »Ich weiß auch nicht. Wann immer ich etwas über sie lese, beschleicht mich so ein eigenartiges Gefühl. Ich bin einfach total fasziniert von ihrem Leben.«
»Vielleicht stehst du bloß auf Kuchen.«
Ich lachte. »Sieh mal an, da weiß jemand tatsächlich ein wenig über die revolution française Bescheid.«
»Ich habe in Geschichte eben aufgepasst.« Er tat blasiert.
»Du meinst, du hast bei dem Film Die verrückte Geschichte der Welt aufgepasst?«
Er tat meine Bemerkung mit einer Handbewegung ab. »Ich habe das Buch gelesen.«
»Kam da auch Mel Brooks drin vor?«
Er schnitt eine Grimasse.
»Also«, fuhr ich fort, »Marie Antoinette wurde gefangen genommen und hier eingesperrt bis zu ihrem Prozess, der natürlich alles andere als fair war. Man warf ihr Hochverrat vor, nur weil sie dem Königshaus angehörte.« Ich gefiel mir in der Rolle der Fremdenführerin für amerikanische Amateurhistoriker.
Jamie schlich herbei und legte mir den Zeigefinger auf die Lippen. »Pst. Ich glaube kaum, dass deine monarchistischen Ansichten hier so gut ankommen.« Er deutete auf einen Gefängniswächter aus Wachs, der den Eingang zur Zelle der Königin bewachte.
Ich verdrehte die Augen. »Wir sind hier in einem freien Land.«
»Ach, wirklich?«
Ich schüttelte grinsend den Kopf. »Ja, wirklich.«
Er packte meine Hand und zog mich an sich, sodass sich unsere Körper berührten. Ob er wohl spürte, wie sich mein Herzschlag beschleunigte? »Dann soll ich dich also von nun an Marie nennen?«, fragte er.
Ich schluckte und lächelte verkrampft. »Eigentlich wurde sie von ihrer Familie und ihren Freunden Antoine genannt«, murmelte ich.
Jamie kam noch näher, bis sein Mund nur Zentimeter von
meinem entfernt war. »Okay … Antoine.« Und dann küsste er mich. Mitten im dunkeln, modrigen Gefängnis der Französischen Revolution berührten sich unsere Lippen, wir schlossen die Augen, mein Körper wurde von einer Hitzewelle erfasst. Ich versuchte, dagegen anzukämpfen, indem ich an seine Frau dachte, um meine Wut zu neuem Leben zu erwecken. Vergeblich. Karen Richards Gesicht verblasste noch im selben Moment, in dem ich es mir in Erinnerung rief. Ich war beim besten Willen nicht in der Lage, auch nur einen negativen Gedanken zu fassen.
Also machte ich mich von ihm los und ergriff seine Hand. »Komm mit, ich möchte dir etwas zeigen.«
Jamie salutierte höflich, als wir an dem leblosen Wachposten vorbei in die kleine Zelle gingen. »Monsieur.«
Ich lachte. »Wie dir vielleicht auffällt, war diese Zelle hier verglichen mit den anderen, die wir vorhin gesehen haben, so nobel wie ein Zimmer im Plaza«, sagte ich.
Der Raum war etwa halb so groß wie ein typisches Motelzimmer und mit einem schmalen, niedrigen Bett in der Ecke und einem schlichten Tisch möbliert. Hinter einem mit Stoff bezogenen Paravent stand eine weitere Wachsfigur, die die Zelle aufmerksam zu bewachen schien, als könnte sich die Königin jeden Moment mit ein paar Kung-Fu-Tricks befreien und flüchten.
»Was macht der denn da?« Jamie deutete auf den zweiten Wächter.
Ich hob den Kopf. »Der passt auf, dass sie keinen Fluchtversuch startet. Das hat sie nämlich tatsächlich einmal, zusammen mit dem König.«
Jamie beäugte die Statue skeptisch. »Von wegen. Ich glaube eher, er wartet darauf, dass sie sich auszieht, in der Hoffnung, einen Blick auf den königlichen Busen zu erhaschen.«
Ich schnappte nach Luft. »Unsinn!«
Jamie nickte bedauernd. »Ich wette, das war der begehrteste Posten von allen. Bestimmt haben die Wachen beim Kartenspielen oder beim Würfeln ausgeknobelt, wer die Bewachung der Königin übernehmen durfte. Und die Nachtschicht, die war für den Gefängnisdirektor reserviert.«
Während er einige hinter zentimeterdickem Panzerglas ausgestellte Relikte der Französischen Revolution betrachtete, hörte ich mich aus heiterem Himmel sagen: »Der König, Ludwig der Sechzehnte, hatte übrigens eine Geliebte.«
Als er sich zu mir umwandte, versuchte ich, meine unerwartete Bemerkung zu überspielen, indem ich willkürlich weitere Fakten hinzufügte. »Die meisten Könige hielten sich eine Mätresse. Oder auch mehrere. Manchmal bis zu sieben … eine für jeden Tag der Woche.« Ich gluckste leise.
Jamie reagierte auf meinen Wortschwall lediglich mit einem Nicken. Keinerlei Anzeichen von Reue oder Unbehagen.
Als würde er aufmerksam einem interessanten Vortrag lauschen, zu dessen Thematik er aber nicht den
Weitere Kostenlose Bücher