Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
das, obwohl mein Handy hartnäckig keine neuen Nachrichten anzeigte.
Ich hasste mich dafür, und ich hasste ihn, diesen stinkenden, verlogenen Bastard, weil ich mich doch tatsächlich fragte, ob er wohl jemals zum Telefon greifen und mich anrufen würde.
Und dann war da natürlich noch die andere Frage: War er überhaupt ein stinkender, verlogener Bastard?
Ganz zu schweigen von der Frage, was ich seiner Frau sagen sollte.
Meine Dienste waren stets sehr klar definiert gewesen: Ich wies die Absicht zu betrügen nach. Zeigte die Tendenz zur Untreue auf. Zog unmittelbar vor dem Verkehr die Notbremse. Das waren die Regeln. Seit jeher.
Gleiches Recht für alle. Jedes meiner Testobjekte bekam dieselbe Bis-zur-letzten-Minute-Behandlung. Nüchtern betrachtet, hatte Jamie den Test also bestanden.
Sollte ich Karen Howard Richards genau das erzählen? Dass er unschuldig war?
Oder sollte ich ihr die ganze Wahrheit sagen, angefangen mit dem Rückflug aus Las Vegas über das Golf-Date und das Sushi-Restaurant bis hin zu den Flugzeugtüten und Paris? Und sie dann entscheiden lassen? Sie die Frage beantworten lassen, die ich nicht beantworten konnte?
Und was, wenn sie gar nicht anrief? Wenn ich nie wieder von ihr hörte, aus welchem Grund auch immer? Vielleicht war Jamie ja voller Reue aus Paris zurückgekehrt, hatte seiner Frau sein Herz ausgeschüttet, und nach seinem Geständnis und einem offenen Gespräch, gefolgt von leidenschaftlichem Versöhnungssex, hatten die beiden wieder zueinandergefunden?
Pfff. Wie schön für sie.
Ich hoffe, sie sind sehr glücklich miteinander.
Dann müsste ich wenigstens mit keinem von beiden je wieder ein Wort wechseln. So unwahrscheinlich mir dieses Szenario auch erschien, ich fand es seltsam, dass sich Karen noch nicht gemeldet hatte. Es war doch anzunehmen, dass Jamie gleich am nächsten Tag nach Hause geflogen war, zumal sein Auftrag in Paris mit großer Wahrscheinlichkeit ins Wasser gefallen war und seine Firma ihn wohl in Los Angeles brauchte. Karen konnte also nicht entgangen sein, dass er seinen Aufenthalt verkürzt hatte. Warum hatte sie dann noch nicht nachgefragt, ob er den Test bestanden hatte?
Die ganze Angelegenheit wurde immer noch verwirrender als sie ohnehin schon gewesen war, und ich verspürte nicht das geringste Bedürfnis, der Sache quasi mit einem Teelöffel auf den Grund zu gehen. Erstens würde es eine Ewigkeit dauern, und zweitens würde er bestimmt mittendrin abbrechen.
Also schwor ich mir, es gar nicht erst zu versuchen. Einfach nicht mehr daran zu denken.
Tja, leichter gesagt als getan.
Ich freute mich nicht sonderlich auf das Treffen mit Lauren Ireland, aber ich hatte auch keine Angst. Sie hatte mich neugierig gemacht mit ihrer Bitte, denn ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, worüber sie ausgerechnet mit mir reden wollte.
Etwa ein Monat war vergangen, seit ich ihren Verlobten damals im Hotelzimmer – und am Pokertisch – auf die Probe gestellt und Lauren und ihren Vater über das negative Ergebnis informiert hatte. Damals war sie aus allen Wolken gefallen. Sie hatte nicht nur die Tatsache verdauen müssen, dass sie und Parker unterschiedlicher Auffassung waren, was bei einem Junggesellenabschied als »angemessenes« Verhalten galt; obendrein hatte sie auch noch damit fertig werden müssen, dass ihr Vater eine sogenannte »Treuetesterin« damit beauftragt hatte, sein Fehlverhalten zu beweisen. Nur sehr wenige Menschen wissen, dass es so etwas überhaupt gibt.
Aus diesem Grund war ich anfangs misstrauisch gewesen, hatte befürchtet, sie könnte mir womöglich noch einmal gründlich die Meinung sagen wollen. Eine besser durchdachte, ausgereiftere Tirade mit sorgfältig ausgewählten Beleidigungen auf mich loslassen, nachdem die erste so spontan und ungeplant ausgefallen war. Ich wollte mir lieber gar nicht ausmalen, welche verbalen Keulen die Gute mit etwas mehr Vorbereitungszeit schwingen konnte.
Aber irgendetwas sagte mir, dass ich keine Falle, keine weiteren Attacken fürchten musste. Lauren hatte etwas ganz anderes auf dem Herzen, und genau das war der Grund, weshalb ich nun das Café an der Ecke 18th Street und Santa Monica Boulevard betrat.
Okay, das und die gute alte Neugier.
»Ashlyn!«, hörte ich sogleich jemanden rufen.
Lauren saß an einem kleinen Tisch und winkte mir freundlich. Sie wirkte ausgeruht und friedlich, ganz und gar nicht so, wie ich das von einer Klientin (oder in diesem Fall der Tochter eines Klienten)
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