Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
erwartet hätte, deren Partner bei meinem Test durchgefallen war. Sogleich fiel mir wieder auf, wie attraktiv sie war. Konservativ gekleidet wie beim letzten Mal, aber zweifellos ausnehmend hübsch.
Während ich auf sie zusteuerte, legte sie das kleine elektronische Grät beiseite, mit dem sie sich gerade beschäftigt hatte, und erhob sich, um mich mit einem Handschlag zu begrüßen.
»Vielen Dank, dass Sie gekommen sind.« Sie wirkte aufrichtig dankbar und erfreut.
Wenn das wirklich ein Überraschungsangriff werden sollte, dann gebührte ihr ein Kompliment für ihre schauspielerischen Fähigkeiten.
»Nicht der Rede wert.« Ich nahm auf dem leeren Stuhl gegenüber von ihr Platz.
»Was möchten Sie trinken? Kaffee, Tee? Es gibt hier auch einen sehr leckeren Chai.«
»Chai klingt gut.«
Ich verfolgte, wie sie zum Tresen eilte, um zu bestellen, und dann zum Tisch zurückkehrte. »Kommt sofort.« Sie strich sich den in A-Linie geschnittenen wadenlangen Rock glatt und setzte sich.
Ich lächelte höflich. »Fein.«
»Tjaaa.« Sie spielte mit dem Zuckerstreuer. »Sie fragen sich bestimmt, weshalb ich Sie hergebeten habe.«
Ich nickte. »Ich bin in der Tat gespannt. Ich hatte wirklich nicht mit einem Anruf von Ihnen gerechnet.«
»Erhalten Sie gelegentlich Drohanrufe?«, erkundigte sie sich interessiert.
Ich zuckte die Achseln. »Hin und wieder.« Dass ich beschlossen hatte, den Job zu wechseln, behielt ich vorsichtshalber noch für mich, bis ich abschätzen konnte, was sie von mir wollte. »Meist kann ich das innerhalb weniger Sekunden am Tonfall des Anrufers erkennen, und dann lege ich einfach auf und blockiere die Nummer.«
Sie lauschte mir aufmerksam, begierig, hing förmlich an meinen Lippen. Seltsam. War sie womöglich in mich verknallt?
Nein. Lächerliche Vorstellung.
»Was kostet denn so ein Treuetest?«, wollte sie wissen.
Ich musterte sie argwöhnisch. Warum das plötzliche Interesse an meinem Beruf? Sie verhielt sich höchst eigenartig für eine ehemalige Klientin. »Wozu wollen Sie das alles wissen? Schreiben Sie etwa einen Zeitungsartikel über mich?«, fragte ich irritiert. Vielleicht sollte ich mir meine Tasche schnappen und die Beine in die Hand nehmen, ehe (schon wieder!) ein Fotograf aus dem Hinterhalt Bilder von mir knipste und sie womöglich an eine Tageszeitung verkaufte. Ich sah schon die Schlagzeile auf der Titelseite der LA Times vor mir : EXKLUSIV – BILDER DER LEGENDÄREN »TREUETESTERIN«!
Das fehlte mir noch, dass ich landesweite Berühmtheit erlangte.
Sie riss die Augen auf. »Nein, nein! Entschuldigen Sie, ich hätte Ihnen erst sagen sollen, worauf ich mit meinen Fragen hinaus will.«
Ich hob erwartungsvoll eine Augenbraue. »Dann schießen Sie mal los.«
Sie senkte verlegen den Blick, als wäre ihr das, was sie mir gleich verraten würde, ein wenig peinlich. Dann blickte sie mir direkt in die Augen. »Ich wollte Sie sprechen, weil …«
»Zweimal Chai!«
Wir wandten beide den Kopf. Ein Teenager mit einer grünen Schürze hielt uns zwei dampfende Keramiktassen hin.
»Ja.« Lauren nahm ihm nervös eine ab, die andere stellte er vor mir auf den Tisch.
»Danke sehr.« Ich lächelte flüchtig, ehe ich mich wieder meinem Gegenüber zuwandte. »Sie sagten gerade …«
Sie holte tief Luft, pustete auf ihren Tee, sodass kleine Wellen die dampfende Oberfläche kräuselten. »Äh, ja … also, offen gesagt habe ich Sie hergebeten, weil ich mich für Ihren Job interessiere.«
Ich musterte sie verdutzt. »Das dachte ich mir schon, nach all den Fragen, die Sie gestellt haben. Jetzt würde ich nur noch gerne wissen warum. «
Klar, auf einen Außenseiter musste mein Beruf aufregend wirken. Ungewöhnlich, wenn nicht gar eine Spur skandalös. Da war es nur natürlich, wenn jemand Fragen stellte. Leider hatte ich mit meiner Tätigkeit inzwischen geistig schon so abgeschlossen, dass ich Laurens Faszination nur schwer nachvollziehen konnte.
»Nun, weil …« Sie biss sich zögernd auf die Unterlippe.
Ich nippte vorsichtig an meinem Chai.
»Weil ich auch Treuetesterin werden möchte«, platzte sie hervor.
In meiner Verblüffung riss ich den Mund auf und nahm einen viel zu großen Schluck des siedend heißen Getränks, so dass ich mir Zunge und Kehle verbrühte. Ich hustete heftig. »Was wollen Sie?«, würgte ich schließlich hervor und starrte
sie ungläubig an, wobei ich meine schmerzende Zunge am Gaumen rieb.
»Ich möchte auch Treuetesterin werden«, wiederholte sie.
Ich fuhr
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