Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
reserviert, soll er diesmal bitte nicht mit seinen schmutzigen Turnschuhen aufkreuzen.«
Marta macht sich schmunzelnd eine entsprechende Notiz und nimmt sich dann den nächsten gelben Zettel vor. »Zoë lässt ausrichten …« – sie kneift die Augen zusammen, um die Botschaft zögernd Wort für Wort abzulesen – »… ›benutz verflucht noch mal dein Spatzenhirn oder setz deinen lahmen Hintern in Bewegung.‹ Zitat Ende.«
Ich grinse. »Klingt ganz nach Zoë.«
»Sophie hat ebenfalls angerufen. Ich soll Ihnen sagen: ›Erleide gerade einen Nervenzusammenbruch. Erics Mutter besteht darauf, dass die Hochzeit in Chicago stattfindet, weil all seine Verwandten dort leben. In diesem Fall würden sich meine Eltern allerdings weigern, für die Feier aufzukommen. Hilfe!‹«
Lachend greife ich nach dem Post-it, um Marta von der schweren Bürde zu erlösen. »Ich rufe sie zurück«, verspreche ich, wobei ich ungläubig den Kopf schüttle.
Ich hätte es wissen müssen. Nun, da Sophie in Bezug auf den Bräutigam keine Zweifel mehr hegt, muss sie ihren zwanghaften Pessimismus eben in anderen Bereichen ausleben.
Damit sind wir an der letzten Türe rechts angekommen. Ich betrete mein zweites Zuhause, ein großes Eckbüro, dessen Interieur ganz in Weiß und sanften Grautönen gehalten ist, und nehme hinter dem gläsernen L-förmigen Schreibtisch Platz. »Sonst noch etwas?«
»Ja.« Ihr Tonfall, bislang geschäftig, nüchtern, sachlich, wird merklich wärmer. »Jamie hat angerufen …« Sie bricht ab und wartet auf die Reaktion, die diese Ankündigung stets verlässlich bei mir hervorruft.
Sogleich leuchten meine Augen auf, ein Lächeln huscht über mein Gesicht. »Was hat er gesagt?«
Zufrieden fährt sie fort: »Er sagte, er hätte gestern seine schwarze Jacke bei Ihnen vergessen. Ob Sie sie bitte zum Dinner mitbringen könnten.«
Ich lächle einen Augenblick versonnen vor mich hin, ehe ich wieder meine professionelle Büromiene aufsetze. »Vielen Dank, Marta. Ich rufe ihn nach dem Meeting an.«
Sie nickt und schickt sich an, mein Büro zu verlassen, vollzieht dann aber eine schwungvolle Kehrtwende. »Ach, ja, Ihr Freund John hat angerufen … schon wieder.«
Ich nicke wissend. »Wieder mit demselben Ansinnen?«
»Ganz recht. Er möchte wissen, ob er vielleicht nächste Woche einmal bei einer Ihrer Besprechungen mit Ihren Mitarbeitern dabei sein darf.«
Ich verdrehe die Augen, kann aber ein Zucken um die Mundwinkel nicht unterdrücken. »Sagen Sie ihm doch bitte, das muss ich mir erst noch einmal überlegen.«
»Gern.« Sie geht hinaus und schließt die Tür hinter sich.
Man möchte meinen, eine erfolgreiche Geschäftsfrau wie ich, die ein gut laufendes Unternehmen leitet, würde sich
morgens gleich als Erstes an den Computer setzen und ihre E-Mails abfragen.
Doch meine E-Mails müssen warten – schließlich sollte ich bereits im Konferenzraum sein.
Für den wichtigsten Programmpunkt meiner allmorgendlichen Routine allerdings habe ich immer Zeit.
Ich klappe meinen Laptop auf, warte, bis er sich hochgefahren hat, und klicke dann auf das Symbol für den Internet-Explorer.
Sobald sich das Browserfenster mit meiner Homepage geöffnet hat, was dank unserer superschnellen drahtlosen Internetverbindung sofort der Fall ist, tippe ich eine überaus wichtige Webadresse in die Adresszeile.
Man erkennt schon an meinen flinken, geübten Bewegungen, dass ich das nicht monatlich, nicht wöchentlich, sondern wirklich jeden Tag mache. Genau wie sich ein gewissenhafter Börsenmakler stets als Erstes die NASDAQ-Eröffnungskurse ansieht, ein Politiker frühmorgens seine Umfragewerte oder der Programmchef eines Fernsehsenders die Einschaltquoten.
Die Adresse, die ich eintippe, mag für Außenstehende merkwürdig klingen, ohne ersichtliche Verbindung zu meinem derzeitigen beruflichen Betätigungsfeld. Tja, sie wissen nicht, was ich weiß.
Die Adresse, die ich eingegeben habe, lautet www.vorsichtfalle.com , und als ich nun die Enter-Taste drücke, erscheint zu meiner großen Genugtuung dieselbe Seite wie schon gestern, vorgestern und vorvorgestern … Ich lächle zufrieden, schließe das Browserfenster und nehme die Unterlagen zur Hand, die ich für mein Meeting benötige, zu dem ich nun exakt fünf Minuten zu spät kommen werde.
Perfektes Timing.
Beim Hinausgehen staune ich wie jeden Morgen darüber,
dass die einfache Textzeile »Error 400: Die gewünschte Seite ist zurzeit nicht verfügbar. Bad Request« eine so
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