Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
vorweisen können, um ein Zimmer zu mieten, aber es wirkt meistens Wunder, wenn man eine Kaution in Höhe von hundert Dollar (ebenfalls in bar) hinterlegt. Nur so kann ich unter falschem Namen einchecken. Kreditkarten können einem überdies eine Menge Ärger einbrocken, etwa, wenn es Typen wie Parker Colman gelingt, einen verständnisvollen Hotelangestellten aufzutreiben. Dann wäre meine Tarnung im Nu futsch.
Kaum hatte ich die Maschine nach L.A. bestiegen und meinen Fensterplatz in der ersten Klasse eingenommen, holte ich meinen Kopfhörer aus der Tasche, setzte ihn auf und schloss die Augen. Die Aufträge in Las Vegas haben unter anderem den Vorteil, dass ich in einer Dreiviertelstunde wieder zu Hause bin. Ich hasse es, für einen Test nach New York fliegen zu müssen. Es gibt nichts Schlimmeres als sechs unbequeme Flugstunden nach einer langen Nacht mit einem korrupten Geschäftsmann (und mit korrupt meine ich nicht, dass der Betreffende Steuern hinterzieht).
Ich fliege nie ohne Kopfhörer, doch es kommt auf meine Stimmung an, ob ich tatsächlich Musik höre oder nicht. Ich hasse Flugzeug-Smalltalk. Reine Zeitverschwendung. Wenn ich fliege, will ich mich entspannen, meinen Gedanken nachhängen oder meine Lieblings-Klatschzeitungen lesen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass einen manche Leute selbst dann ansprechen, wenn man ganz offensichtlich in ein Buch vertieft ist. Aber sobald sie kapiert haben, dass man sie nicht hören kann, lassen sie einen in Ruhe. Deshalb habe ich mir
einen dieser extragroßen, schalldichten Kopfhörer zugelegt, der auf Quasselstrippen schon optisch abschreckend wirkt. Eigentlich sollte man die Dinger unter der Bezeichnung Smalltalk-Abtörner verkaufen.
Nicht, dass ich eine ausgeprägte Einzelgängerin wäre. Ich habe bloß schon genügend Freunde. Ich suche keine neuen. Und für einen Außenstehenden ist mein Leben ohnehin ein riesiger Schwindel. Wozu noch weitere Opfer in meine Lügengespinste verstricken?
Früher habe ich mich gern mit meinen Mitreisenden unterhalten. Damals war Jennifer Hunter noch Jennifer Hunter und konnte in jede x-beliebige Rolle schlüpfen. Ich dachte mir gern Geschichten aus über mich, mein Reiseziel, meinen Beruf, meinen neuen Schwarm. Jetzt, da mein Leben von vorn bis hinten erfunden ist, macht das Geschichtenerzählen nur mehr halb so viel Spaß.
Ich musste zur Musik von Joss Stone eingedöst sein, denn als ich das nächste Mal die Augen aufschlug, hatten wir bereits abgehoben. Dabei war ich gar nicht ermahnt worden, »sämtliche tragbaren elektronischen Geräte auszuschalten«, wie ich etwas überrascht feststellte. Vielleicht hatten die Flugbegleiterinnen ja geahnt, dass ich eine anstrengende Nacht hinter mir hatte und deshalb ein Auge zugedrückt.
Ich registrierte, dass auf dem Platz neben mir jemand saß, doch ich ignorierte den Betreffenden und starrte aus dem Fenster. Immer kleiner wurden die riesigen Hotels am berühmten Strip von Las Vegas, deren Bauwerke den Wahrzeichen von Paris, New York, dem alte Ägypten oder gar mittelalterlichen Königreiche nachempfunden waren.
Mich hat Las Vegas seit jeher amüsiert. Die Archäologen, die in Jahrmillionen auf die Überreste dieser Stadt stoßen, werden ganz schön dämlich aus der Wäsche gucken, wenn sie hier ihre Ausgrabungen anstellen. Da buddeln sie munter
vor sich hin auf der Suche nach etwas, das ihnen endlich Aufschluss geben könnte über die längst ausgestorbene, geheimnisumwitterte Spezies »Mensch«, die sich mit einer selbst verursachten Katastrophe eigenhändig ausradiert hat, und siehe da... Was ist das? Eine ihrer Siedlungen offenbar. Hey, Moment mal... Haben wir nicht genau so eine Stahlkonstruktion erst kürzlich in einem Land namens »Frankreich« ausgegraben? Und die Statue da drüben weist doch eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit der auf, die unsere Kollegen neulich an der Ostküste entdeckt haben, in einer Stadt, die bei den Menschen »New York« hieß.
Die Forscher werden vor einem unlösbaren Rätsel stehen und sich garantiert nie erklären können, was unsere mysteriöse Spezies bewogen hat, an unterschiedlichen Orten des Planeten zwei haargenau gleiche Monumente zu errichten. Ein Weltwunder in der Tat...
Ich schreckte aus meinen Tagträumen auf, als mir die Stewardess auf die Schulter tippte, um meine Getränkebestellung aufzunehmen.
Ich nahm meinen Kopfhörer kurz ab, um eine Diätcola zu bestellen, und gerade, als ich ihn wieder aufsetzen wollte …
»Na, haben Sie
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