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Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files

Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files

Titel: Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Brody
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gewonnen?«
    Ich wandte mich zu meinem Sitznachbarn um. Hm. Attraktiver Typ Mitte dreißig mit sanften Augen, die offenbar schon eine Menge gesehen hatten; manches erfreulich, anderes weniger.
    »Wie, bitte?«
    »Haben Sie gewonnen?«, wiederholte er. »Oder vielleicht sollte ich erst fragen: Haben Sie gespielt?«
    Ich ließ meinen Kopfhörer in den Schoß sinken und unterdrückte ein Stöhnen. Das war’s dann. Schluss mit der seligen Ruhe. Da nimmt man seine Smalltalk-Abtörner nur eine Sekunde lang ab und zack, sitzt man in der Falle.

    Ich lächelte höflich. »Ja, ich habe ein bisschen gepokert.«
    »Und... Haben Sie gewonnen?«
    Meine Erstanalyse ergab: gut situiert und Single, einer Ehe oder Familie aber durchaus nicht abgeneigt, geschäftlich in Vegas und erfrischenderweise anscheinend keiner von den Fremdgehern.
    Es ist immer eine angenehme Überraschung, wenn ich mal über eines der seltenen treuen Exemplare stolpere. Dann komme ich mir vor wie ein Biologe, der beim Wandern über eine vom Aussterben bedrohte Tierart stolpert. Ich habe das Gefühl, sofort die Kamera zücken zu müssen, um die Sichtung für die Nachwelt zu dokumentieren, als Beweis für die Ungläubigen.
    »Ja, das Glück war mir ein-, zweimal hold.« Ich lächelte.
    Die Stewardess brachte unsere Getränke. Mein attraktiver, mutmaßlich nicht fremdgehender Sitznachbar hatte einen Tomatensaft bestellt. Ein anständiges Getränk. Ich bin immer misstrauisch, wenn Flugpassagiere schon am frühen Morgen harte Sachen konsumieren.
    »Das freut mich für Sie. Eine Frau, die Poker spielt, das ist ja eine richtige Rarität...«
    Tja, wie es aussah, hatten hier gleich zwei bedrohte Arten zusammengefunden. Wenn das kein Zufall war.
    »Also, ich bin sehr für jede Art des Geldverdienens, bei der man dem Finanzamt nichts abgeben muss.«
    Er lachte. »Und was machen Sie, wenn Sie nicht gerade anderen Leuten beim Pokern ihr hart verdientes Geld abluchsen?«
    Schon musste ich lügen. »Ich bin im Investment Banking. Und Sie?«
    »Ich arbeite für die Steuerfahndung«, sagte er und senkte beschämt das Haupt.
    Ach du Sch... Ich war sprachlos. Nahm verlegen einen
Schluck von meiner Diätcola. »Äh... ich hab Sie natürlich nur auf den Arm ge...«
    »Tja, ich muss Sie leider festnehmen. Wie mir scheint, schulden Sie dem Finanzminister einen ganzen Batzen Geld, nachdem Sie offenbar jahrelang Ihre Glücksspiel-Einkünfte nicht gemeldet haben.« Er grinste.
    Ich lachte erleichtert auf. »Puh. Der war gut.«
    »Hmm, eine Pokerspielerin, die einen so offensichtlichen Bluff nicht durchschaut... Ich bin nicht sonderlich überzeugt von Ihren Fähigkeiten.«
    »Also... sooo offensichtlich fand ich Ihren Bluff ehrlich gesagt nicht«, stotterte ich.
    »Ich bitte Sie. Ich hatte in der achten Klasse im Theaterspielen eine Vier! Ich würde auf der Bühne nicht einmal einen Schimpansen überzeugen.«
    »Ich bin nicht ganz sicher, aber müsste man das dann als Tierquälerei einstufen?« Ich tat, als würde ich angestrengt überlegen.
    »Das ist jetzt fünfundzwanzig Jahre her, damals hat man das noch nicht so eng gesehen.«
    »Aha, das heißt, Sie sind jetzt ungefähr...«
    »Sieh an, ein menschlicher Taschenrechner sind Sie also auch.«
    »Während Sie allem Anschein nach ein ziemlich schlechter Schüler waren«, konterte ich.
    Er schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck Tomatensaft. »Ich sprach von einem einzigen Fach, nicht von meinen Leistungen im Allgemeinen.«
    Als er das Glas abstellte, linste ich instinktiv auf seine linke Hand. Kein Ring. Wie ich vermutet hatte. Single. Auf meine Erstanalyse war eben Verlass.
    »Was machen Sie denn nun wirklich beruflich, wenn Sie sich nicht gerade als Undercover-Steuerfahnder ausgeben?«

    Hätte ich raten müssen, dann hätte ich auf Marketing oder Werbung getippt. Für einen Buchhalter war er zu clever, für einen Geschäftsmann nicht verbindlich genug. Ich war keineswegs überrascht, als er sagte: »Ich arbeite als Marketingberater. Zu unseren Klienten zählen unter anderem die Harrah’s Casinos«.
    Schon wieder richtig. Jetzt wird es allmählich langweilig.
    Wir hatten etwa zwanzig Minuten geplaudert, und ich fragte mich bereits, was ich eigentlich gegen Flugzeug-Smalltalk einzuwenden hatte, als es in den Lautsprechern knackste. »Sehr geehrte Damen und Herren, guten Morgen. Wie ich soeben erfahre, toben im Großraum Los Angeles zurzeit heftige Gewitter, die eine sichere Landung unmöglich machen«, verkündete der Kapitän.

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