Treuetest - Brody, J: Treuetest - The Fidelity Files
»Wir müssen deshalb leider in Palms Springs zwischenlanden und abwarten, bis das Schlimmste vorüber ist. Ich danke für Ihr Verständnis.«
Mein Nachbar und ich sahen uns an und stöhnten gleichzeitig auf.
»Von wegen, in Los Angeles regnet es nie«, murrte ich.
»Tut es auch nicht«, sagte er. »Aber ich habe vorhin ein paar Leute angerufen.«
»Sind Sie etwa eine Art Wettergott?«
»Ich bin Jamie Richards.« Er streckte mir die Hand hin.
Ich schüttelte sie. »Jennifer.«
»Bloß Jennifer? So wie Cher oder Madonna?«
»Ich ziehe es vor, mit Michelangelo verglichen zu werden, wenn ich bitten darf.«
Jamie lachte. Es war schön, zur Abwechslung mal jemandem ein ungekünsteltes Lachen zu entlocken. Jemandem, auf den zu Hause keine Frau wartete. Jemandem, der ohne Hintergedanken lachte.
Und es war auch schön, mitzulachen... ganz ohne Hintergedanken.
»Okay, akzeptiert. Ich hätte da nur noch eine Anregung: Wenn Sie Ihr Leben tatsächlich nachnamenlos bestreiten wollen, sollten Sie sich zumindest einen etwas aufregenderen Vornamen suchen.«
»Da haben Sie recht. Dann also Jennifer... H.«, sagte ich affektiert.
Er setzte eine beeindruckte Miene auf. »Wow. Vorname und erster Buchstabe des Nachnamens. Wir machen Fortschritte. Fühlen Sie sich gut, oder sollen wir lieber einen Gang zurückschalten, vielleicht eine Pause einlegen und später weiterplaudern?«
Ich sah aus dem Fenster. Wir näherten uns dem Flughafen von Palms Springs. »Nun, wie es aussieht, sitzen wir hier noch eine ganze Weile fest.«
»Verraten Sie mir dann stündlich einen weiteren Buchstaben?«
Ich grinste. »Wenn Jennifer H. meine ganze Highschool-Zeit über völlig ausreichend war, dann sollte Ihnen das für die kommenden paar Stunden doch wohl auch genügen. Jedenfalls bis wir in L.A. sind.«
»Na gut, Jennifer H.«
»Hey, Sie können sich glücklich schätzen. Das ist ein ganzer Buchstabe mehr als die meisten wildfremden Mitreisenden erfahren. Mehr als die meisten wildfremden Menschen eigentlich.«
»Oh, das tue ich.«
Ich musterte ihn fragend.
»Mich glücklich schätzen.«
Ich errötete und wandte den Kopf zum Fenster. So eine Landung ist doch immer wieder äußerst spannend.
Aus dem ursprünglich fünfundvierzigminütigen Flug war, als wir endlich in L.A. ankamen, eine zermürbende vierstündige
Odyssee geworden. Kaum war ich aus der Maschine gestiegen, klingelte mein privates Handy.
»Sophie regt sich fürchterlich auf. Du solltest sie anrufen«, röhrte mir Zoë atemlos ins Ohr.
»Was treibst du denn? Klingt ja, als würdest du einen Marathon laufen.«
»Ich bin auf der San Vicente und versuche, links abzubiegen, obwohl es keine Abbiegerspur gibt. Die Leute in Santa Monica haben sich ihre Führerscheine offenbar allesamt am Automaten gekauft.«
Mit meinem Rollkoffer im Schlepptau verließ ich das Ankunftsterminal und begab mich zum Parkplatz. »Wenn sich Sophie so aufregt, warum ruft sie mich dann nicht an?«
»Benutz doch mal dein Spatzenhirn, du beschränkte, egoistische Kuh!«
Ich blieb wie angewurzelt stehen. »Hä?«
Aus dem Telefon ertönte ohrenbetäubendes Gehupe. Ach so. Ich setzte meinen Weg fort.
»Entschuldige. Diese Zicke braucht offenbar ein Telefonbuch auf dem Sitz, damit sie überhaupt übers Lenkrad hinaussieht. Na, das Übliche. Hör mal, es ist jetzt schon eine Woche her. Findest du nicht, dass du ein bisschen überreagierst?«
Ich reichte dem Mann vom Valet-Service mein Ticket. »Ich kann jetzt nicht darüber reden. Ich bin am Flughafen und total erledigt, und mein Auto wird gleich vorgefahren. Ich rufe dich morgen zurück, ja?«
»Ist gut.« Zoë schnappte nach Luft.
»Alles okay bei dir?«
»Nein, nichts ist okay. Ich sagte doch schon, ich versuche, an einer Kreuzung ohne Linksabbiegespur links abzubiegen. Ruf mich morgen an!«
Ich legte auf und nahm meinen Bluetooth-Kopfhörer ab.
»Sie haben sich ja ganz schön flott vom Acker gemacht.«
Prompt ließ ich vor Schreck das Headset fallen. Ich bückte mich danach, um es aufzuheben, wandte den Kopf und erblickte hinter mir Jamie Richards mit einem Parkticket in der Hand. Ich erhob mich eine Spur zu rasch und musste mich am Geländer festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
»Äh, ja.« Ich lachte etwas gezwungen. »Ich hab für heute die Nase voll von Flugzeugen.«
Sein amüsiertes Grinsen verunsicherte mich. Dabei bin ich daran gewöhnt, von Männern angegrinst zu werden. Allerdings nicht in Verbindung mit dem
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