Trias
wichtigsten Verkehrsknotenpunkt für Berufspendler und Touristen, die aus den Vororten und weiter entfernten Regionen morgens in Prag einfielen und am Abend müde oder lärmend die Stadt verließen. Gabriela Malichova hatte peinlich genau darauf geachtet, dass der Dienstwagen des Ministeriums keinerlei Verdacht erregte. Er wirkte innen aufgeräumt, beinahe zu steril.
Croy bremste und hielt.
»Machen Sie sich keine weiteren Umstände, ich nehme von hier aus ein Taxi.« Katja strich eine Locke aus ihrer Stirn.
»Was werden Sie nun tun?«, fragte Croy und setzte ein gewinnendes Lächeln auf.
»Eigentlich täte es mir gut, heute Abend nicht allein in dieser fremden Stadt zu sein.«
»Falls Sie es nicht aushalten, rufen Sie mich an. Ich bleibe bis morgen früh in Prag.«
Sie nickte dankbar. Er sah ihr hinterher, bis sie und ihr Hund aus seinem Blickfeld verschwunden waren.
Er wünschte sich plötzlich, dass sie ihn anrief.
Zurück in der Pension, ging er konzentriert Punkt für Punkt seines Einsatzplanes durch. Parallel dazu überprüfte er den Inhalt seiner Waffentasche. Eingelegt in den Plan der Sprengstofffabrik und ihrer Umgebung war ein Computerausdruck. Erstaunt über diesen Fund, begann er sofort zu lesen. Gabriela hatte ausführlich dargelegt, wie der Y3-Sprengstoff in die Welt gekommen war. Vor vierzig Jahren stellte ein gewisser Stanislav Brebera, Chemiker im Sprengstoffwerk Explosia, der Öffentlichkeit einen Zunder vor, der 94 Prozent Nitropenta mit 6 Prozent Hexogen enthielt. Er erhielt den Namen Y3 Semtex und avancierte kurze Zeit später zum weltweit erfolgreichsten Explosionsgemisch der Nachkriegsgeschichte. Er war kostengünstig herzustellen, war wegen seiner weichen Konsistenz gut formbar und auf Grund seiner normalen Stoßfestigkeit und des hohen Wärmewiderstands gut zu transportieren. Allerdings waren Spreng- oder Zündkapseln nötig, um das chemische Gemenge aus Nitrogruppen, Salpetersäuren, Formalin und Ammoniak zur Detonation zu bringen. Bei den Terroranschlägen der vergangenen Jahre war es das hochempfindliche Bleistyphnat, das als so genannte Initialzündung diente. Elektroimpulse brachten dabei die Kapsel zur Explosion. Der dabei entstandene Druck und eine enorme Hitze zündeten wiederum das Y3 Semtex, das mit einer Geschwindigkeit von acht Kilometern pro Sekunde auseinanderflog und eine Hitze von 6000 Grad Celsius entwickelte.
Croy lächelte etwas mokant über den Historienausflug Malichovas, war ihr aber gleichzeitig dafür auch dankbar. Jetzt musste er »nur« noch in die Salzstollen gelangen, die Sprengladungen anbringen, zünden und verschwinden.
Der Ermittler konzentrierte sich nochmals auf die wichtigsten Koordinaten: Wo war der Haupteingang und wo der Zutritt zu den unterirdischen Anlagen? Wo genau brachte er die Sprengladungen am unauffälligsten an, und wie viel Zeit würde bleiben, um dem Inferno zu entkommen? Er studierte die Fotos mehrerer Aufklärungssatelliten, die seit dem Beitritt Tschechiens zur NATO die Erdoberfläche mit allen Gebäuden, Flughäfen, Militärbasen und unterirdischen Bunkern zentimetergenau abscannten. Malichova hatte ihm die gestochen scharfen Bilder in einem versiegelten Umschlag mit in den Folder gelegt. Endlich hatte er die Zeit, sie sich genauer anzusehen. Ihm fiel auf, wie chaotisch die Anlage von oben betrachtet wirkte, und stellte sich vor, wie sie in alle Einzelteile zerbarst. Er musste nur weit genug davon entfernt sein, wenn die enorme Ladung hochging. Er verpackte die Materialien sorgfältig, schob die Waffentasche unters Bett und verteilte davor seinen Rucksack mit der Kleidung, die Schuhe und eine weitere Jacke. Dann brachte er das Bettzeug so durcheinander, dass es beinahe auf dem Boden lag und ein ungebetener Gast nicht unter die Schlafcouch sehen konnte. Das Zimmer wirkte nun wie das eines Travellers, der wenig Sinn für Ordnung, aber umso größere Lust an Chaos hatte.
Er dachte eben über seine weitere Abendgestaltung nach, als sein deutsches Videotelefon klingelte. Katja war auf dem Schirm.
Als die Journalistin eine halbe Stunde später an seine Tür klopfte, war Croy frisch geduscht, trug ein legeres weißes Hemd zu einer dunkelblauen Jeans und weißen Turnschuhen. Seine Haare waren noch feucht und rollten sich im Nacken zu Locken.
Als er öffnete, sagte er sofort entschuldigend: »Verzeihen Sie die Unordnung.«
Sie sah sich kurz erstaunt um. Statt eines Kommentars streckte sie ihm eine Flasche Champagner entgegen. Ihre
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