Trias
kann nicht sein.« Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen. Croy fühlte sich schlecht. Er konnte ihr nicht die Aufmerksamkeit schenken, die sie jetzt vermutlich brauchte. Das Verschwinden ihres Verfolgers machte ihn viel zu nervös.
»Katja«, sprach er sie tröstend mit ihrem Vornamen an. »Ich kann verstehen, wie Sie sich jetzt fühlen …«
»Lassen Sie mir kurz Zeit …«, bat sie leise.
Croy schwieg. Seine Gedanken schweiften zu jenem Zeitpunkt, als er das erste Mal vor seinen neuen Eltern stand, einer Frau und einem Mann, die ihn gewinnend anlächelten, ihn in ihre Mitte nahmen und aus dem Kinderheim in sein neues Zuhause führten.
Katja brach als Erste das Schweigen und riss ihn in die Gegenwart.
»Dieser Mann da draußen ist der Grund, warum ich Sie treffen wollte.« Sie hatte sich wieder gefangen. Ihr war schnell klar geworden, dass sie mit dem Tod ihrer Freundin allein und an einem anderen Ort fertig werden musste.
»Schießen Sie los«, entfuhr es Croy etwas zu derb.
»Kann ich Ihnen vertrauen?«, fragte sie verschüchtert.
Croy hörte ihre Ängstlichkeit heraus. Hier die Nachricht von einer toten Freundin, dort ein Grobian als Ermittler. Er versuchte es mit Humor.
»Wenn Sie keine Straftat begangen haben, bleibt alles unter uns«, sagte er lächelnd, griff nach ihrer Hand und drückte sie. Sie war warm, ihre Finger grazil. Katja wehrte sich nicht dagegen. Ihre Stimme war jetzt wieder fester.
»Zwei Männer, offensichtlich Agenten, fingen mich kurz nach dem Attentat vor Emmas Wohnung ab, nahmen mich mit in irgendeine Lagerhalle am Berliner Westhafen und zwangen mich unter Druck zu einer Zusammenarbeit. Ich komme damit einfach nicht klar. Ich muss Informationen abliefern, die ich aus meiner Freundin und anderen Recherchen herausholen soll. Es ist …«
Croy sah Tränen. »Beruhigen Sie sich. Woher waren die Männer? Welcher Dienst?«
»Haben sie nicht gesagt. Ich bin wirklich sehr unglücklich … ich kann das nicht … meine beste Freundin … ich bin Journalistin … ich …«
»Bitte beruhigen Sie sich, Katja. Hat man Sie körperlich angegriffen?«
»Nein … nein …« Sie entzog ihm ihre Hand und schnäuzte sich die Nase.
Nach kurzem Schweigen sagte er: »Was glauben Sie, kann ich für Sie tun?«
»Mich vor diesen Männern schützen. Mir helfen, aus dieser Vereinbarung herauszukommen. Ich bin kein Spitzel, ich würde auch nie einer sein. Verstehen Sie?«
Croy verstand sie. Wer wie er aus der DDR kam, hatte für dieses Thema Antennen.
»Mich kotzt es an, wie der Staat für seine Interessen immer wieder die Grenzen des Privatlebens überschreitet. Längst überlagert das Sicherheitsbedürfnis des Staates die persönliche Freiheit des Bürgers …« Sie warf den Kopf zurück, ihre Augen hatten sich verengt. Croy befand, dass sie gerade ziemlich gut aussah.
»Das ist mir durchaus bewusst«, sagte er kurz.
Mit Hinweis auf seine knappe Zeit schrieb ihr der Ermittler auf die gleiche Visitenkarte die Telefonnummer von Konrad Kaltenborn und forderte sie auf, ihm ausführlich über ihre Begegnung mit den Agenten zu berichten. Wichtig sei vor allem, wo sich diese Lagerhalle genau befinde, wie die Männer aussahen, was sie gefragt und wonach sie gesucht hatten.
»Ich bin für Sie weiter erreichbar«, sagte er in beruhigendem Ton und fügte dann beschwörend hinzu: »Im Interesse Ihrer eigenen Sicherheit müssen Sie sich unauffällig verhalten und so tun, als sei auf Sie weiterhin Verlass. Arbeiten Sie ganz normal in Ihrer Redaktion weiter. Treffen Sie sich mit Ihren Freunden und reden Sie über möglichst belanglose Themen. Die Agenten sollen glauben, dass Sie kooperativ sind. Wir schaffen Ihnen diese Leute schnellstmöglich vom Hals. Haben Sie das verstanden?«
Katja schniefte immer noch, blickte auf ihre Finger, die sie jetzt wie ein eingeschüchtertes kleines Mädchen ineinander verknotete. Sie sagte: »Ich kriege das schon hin. Und danke für Ihre Hilfe.«
»Sie beweisen eine bewundernswerte Stärke, Frau Kirchner. Bleiben Sie tapfer. Sie werden sehr bald wieder ein normales Leben führen. Und nun denke ich, werden wir gehen.«
Er gab dem Kellner einen Wink. Sie griff in ihre Tasche, entnahm ihr eine weitere Visitenkarte und schrieb ein paar Worte darauf. Sie schob sie über den Tisch. Er sah erst darauf, als er gezahlt hatte.
Brauchen Sie mich in Prag?
Er hob überrascht die Augenbrauen.
»Was haben Sie vor?«
Die Journalistin langte erneut nach der Karte und schrieb: Die Mörder
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