Trias
durch dessen Büro, sah durch das Fenster hinunter auf die Spree und verließ dann auf leisen Sohlen den Raum. Seine Miene glich der eines Kindes ohne genügende Beachtung.
Obwohl das Klima zwischen dem BKA und ihrem für Gegenspionage zuständigen Äquivalent beim BND bei vielen Beobachtern als vergiftet galt, hatte Croy aus Studententagen einen Kollegen beim BND, den er um einen Gefallen bat. Der Mann war nach seinem Diplom in der Auswertungs- und Dokumentationsabteilung des deutschen Auslandsgeheimdienstes gelandet. Allerdings war er Croy als ein Zögerer in Erinnerung. Am Ende eines längeren Gesprächs bat dieser ihn dennoch eindringlich um eine Liste aller Telefonate, die in den vergangenen vier Wochen aus der Abteilung »Terrorabwehr Osteuropa« geführt worden waren.
»Das kann mich meine Stellung kosten«, wiegelte sein Studienkollege zunächst ab.
Croy zögerte kurz und legte dann in seine Stimme einen werbenden Unterton. »Und wenn ich dadurch ein Schlangennest aushebe? Ich könnte es so aussehen lassen, als wäre das niemals ohne deine Zivilcourage möglich gewesen.«
»Um Gottes willen, nein. Wenn, machen wir das konspirativ. Schließlich sind wir hier beim BND. Ich würde als Verräter gelten. Verstehst du das?«
»Nein«, beschied ihm Croy ehrlich, fügte dann aber an: »Dann tu es nur für mich. Ich kann schweigen wie eine Sphinx. Darf ich auf dich zählen?« Croy lauschte in den Hörer.
»Ich melde mich. Lass mich darüber nachdenken.«
Croy wusste, dass er jetzt nicht weiterinsistieren durfte. Sein ehemaliger Kommilitone würde sich sonst nur noch mehr verschließen. Wie eine empfindliche Scheißauster, ergrimmte sich Croy kurz.
Er überraschte ihn allerdings positiv, dass der BND-Archivar nach nur einer halben Stunde zurückrief und eine Aufstellung der Telefonate noch bis zum Abend versprach.
»Ich werde mich dafür gebührend revanchieren«, dankte ihm Croy.
»Wenn du nur dichthältst, reicht mir das schon«, bekam er zur Antwort.
20
Berlin-Mitte, Bundeskanzleramt, gleicher Tag, 11:00 Uhr
Es war durchaus üblich, im Bundeskanzleramt an Samstagen Besprechungen zur politischen Situation abzuhalten. Zudem erschien der Bundeskanzlerin die politische Lage so instabil, dass sie in keinem Fall bis Montag mit einer Bewertung warten wollte. Sie forderte zunächst den deutschen Bundesinnenminister auf, einen kurzen Bericht zu dem Raketenangriff abzugeben. Der sah zuvor etwas tadelnd auf den Chef der Bundespolizei, Henning Kühl. Er war mit einigen Minuten Verspätung zu der hochgeheimen Besprechung erschienen.
Eberhard Cromme, von seinen engsten Mitstreitern Ebby genannt, beugte sich in seinem Sessel nach vorn. Er breitete weit seine Arme aus, als wolle er den gesamten Kabinettstisch einschließlich aller fünfzehn Minister umarmen. Seine Finger spreizte er dabei weit ab. Das theatralische Entree beeindruckte allerdings keinen der Anwesenden, sie waren es gewohnt. Cromme, Volljurist und ehemaliger Staatsanwalt, ein Mann mit Halbglatze, hervorstehenden Augen, fleischiger Nase und mächtigem Kinn, gehörte dem Kabinett von Kanzlerin Sprado seit zwei Jahren an. Er hatte sich nach langen Diskussionen mit seiner Idee durchgesetzt, dass die Bundeswehr auch im Innern gegen massive Angriffe auf die innere Sicherheit eingesetzt wurde.
Obwohl das Bundesverfassungsgericht Bundeswehreinsätze ausdrücklich auf die Abwehr terroristischer Angriffe begrenzt hatte, hatte die Regierung mit Beginn der ersten Ausschreitungen durch Anhänger des militanten Flügels der Splittergewerkschaft ROK schwer bewaffnete Bundeswehrstaffeln in den Einsatz geschickt. Bundesverteidigungsminister General Rasmus Schönfelder hatte daraufhin seinen Rücktritt angeboten, weil er fürchtete, die Soldaten und Offiziere der Bundeswehr könnten tatsächlich irgendwann aus einer Straßenschlacht heraus zu Mördern am eigenen Volk werden. Doch Sprado hatte ihn nicht gehen lassen, und Schönfelder war eingeknickt. Finanzminister Cloppenburg hatte auf die angespannte Lage des Bundeshaushalts hingewiesen. Kanzlerin Sprado aber war hart geblieben. In den letzten Monaten waren deutsche Soldaten mehrmals in bewaffneten Panzerspähwagen ausgerückt. Sie verhinderten Seite an Seite mit der Polizei der Bundesländer Demonstrationen und setzten militante Demonstranten mit Waffengewalt fest.
Wie durch ein Wunder gab es bislang keine Toten. Innenminister Cromme, der anfangs den Beifall der Politik auf seiner Seite gehabt hatte, wurde trotz
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