Trias
dieser scheinbaren Erfolge nach und nach kaltgestellt. Es war die Vermessenheit, die Cromme ausstrahlte, wenn er über noch längst nicht erschöpfte Möglichkeiten der Umsetzung von innerer Sicherheit sprach.
Cromme hielt seinen Bericht über das Gefecht vom Vorabend kurz. Dabei ließ er unerwähnt, dass nach Informationen von Konrad Kaltenborn einer oder mehrere BND-Agenten in die Sache verwickelt waren. Er stellte vielmehr heraus, wie effektiv das neue Terrorabwehrzentrum arbeite, das er gegen den Widerstand oppositioneller Politiker ins Leben gerufen hatte. Das beifällige Nicken seiner Ministerkollegen tat ihm gut. Doch der Verteidigungsminister hatte noch eine Frage.
»Stimmt es, dass gestern Abend lediglich ein Vertreter des Bundeskriminalamts, nicht aber des Bundesnachrichtendienstes und des Militärischen Abschirmdienstes vor Ort im Lagezentrum war?«
Crommes Augen traten noch eine Spur weiter aus ihren Höhlen. »Der Einsatz war eine Sache zwischen den Amerikanern, den Slowaken und uns. Die Ermittlungen im Fall Rumpf übertrug der Generalbundesanwalt meinen Leuten. Warum sollten wir also 22 Spieler aufs Feld schicken, wenn die Stammmannschaft den Sieg nach Hause trägt?« Cromme liebte Fußballvergleiche. Er sah Ähnlichkeiten zum alltäglichen politischen Geschäft in der Hierarchie, dem Mannschaftsaufbau, der Motivation, dem Training, der Strategie und Taktik.
Der General sah ihn kalt an. »Bislang glaubte ich«, sagte er giftig, »dass derartige Geheimoperationen auf eine breite Basis von Behörden gestellt werden. Auch ich wäre gestern Abend gern dabei gewesen. Schließlich war es vor allem eine Operation von Militärs befreundeter Staaten.«
Kanzlerin Sprado ließ den Ball laufen. Sie registrierte mit Interesse, wie brüchig das Verhältnis zwischen beiden Ministern war.
»Wenn es Ihnen darum geht, dabei zu sein, frage ich mich, warum ich immer erst um Ihre Truppen kämpfen muss, wenn die Polizei auf der Straße Hilfe gegen den Mob braucht«, erwiderte Cromme.
An dieser Stelle unterbrach Lydia Sprado den Disput. Die Gefahr war groß, dass sich beide Minister nun doch in Kompetenzrangeleien und verletzten Eitelkeiten verloren.
»Ich bitte die Anwesenden um Nachsicht, dass der Kanzleramtsminister und der Bundesaußenminister nun mit mir die Runde verlassen.«
Beifälliges Nicken. Schließlich wartete das Wochenende. Die Bundeskanzlerin hob die Sitzung auf und murmelte etwas wie »gute Erholung«.
Vor Sprados Dienstzimmer saßen die FIES-Sondergesandten Ralph Weinstein und Boyan Chopov. Gemeinsam mit den Mitarbeitern von Senator Smith hatten sie die Aufgaben von Stefan Rumpf und Sergej Kirijenko übernommen und Trias zur Unterschrift vorbereitet. Und seit der Senator selbst einem Attentat nur knapp entgangen war, hatte Weinstein in Washington administrative Aufgaben übernommen. Sprado bat die Männer in ihr Amtszimmer und schwenkte dabei ein weißes Blatt Papier. Ihr Blick war kampfeslustig.
Wegen der Zeitverschiebung zwischen Washington, Moskau und Berlin hatten die jeweiligen Regierungsvertreter das Protestschreiben Chinas gegen die Ratifizierung von Trias zu unterschiedlichen Ortszeiten erhalten. Kanzlerin Sprado war nun auch im Besitz der hübschen Provokation.
»Wie reagieren wir darauf?«, fragte Lydia Sprado ihre Gäste. »Was sagt die Regierung in Washington, was sagt Moskau?« Erwartungsvoll sah sie die beiden Unterhändler an. Die nickten sich kurz zu. Weinstein übernahm.
»Ignorieren«, sagte er kurz.
Deutschlands erste Frau strich ihren Pony zur Seite. Ansonsten hielt ihre Frisur wie Beton.
»Ignorieren?«, wiederholte sie. Zweifel lag in ihrer Stimme. »Kennen Sie den Franzosen Sartre?«
Weinstein nickte vorsichtshalber, auch wenn er gar nichts verstanden hatte. Doch dann sagte er: »Nein.«
»Dichter, Philosoph, Existentialist«, lächelte Sprado etwas überlegen. »Er meint, etwas zu ignorieren ist ein bisschen wie Selbstmord. Der Ignorant bringt sich selbst um die Freiheit einer Reaktion. Und wissen Sie, was er daraus folgerte?« Weinsteins und Chopovs Köpfe blieben jetzt doch unbeweglich.
»Der Ignorant bekommt von der Welt als Schicksal zurück, was er ihr durch seine Ignoranz vorenthielt. Auf die Chinesen bezogen könnte das bedeuten: Schweigen wir jetzt einfach, riskieren wir unter Umständen eine Verschärfung der ohnehin belasteten Beziehung. Andererseits …«, sie kaute auf ihrer Unterlippe, »… kann uns Peking mal gern haben. Trias ist nicht mehr zu
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