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Trias

Titel: Trias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Kayser
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und ihre Partei die Wahlen gewonnen hatten, traute er sich nicht mehr, seinen Anzug auszuziehen, bevor sie zu Bett gingen. Zu oft passierte es, dass Referenten der Kanzlerin zu später Stunde die gemeinsame Privatheit durchbrachen, weil es angeblich bedeutende Gründe dafür gab. Selbst ihre beiden erwachsenen Kinder waren in Rollen geschlüpft, die sie freiwillig so nie übernommen hätten.
    Heute Abend steckte er in einem beigefarbenen Anzug mit braunen Strümpfen und blauem Oberhemd. Wenigstens den obersten Knopf hatte er geöffnet. Seine Frau trug ein austernfarbenes Kostüm mit grauem Pelzbesatz an Ärmeln, Kragen und Saum. Ihre Hand schnippte gerade versehentlich Asche zwischen das Porzellangeschirr. Eigentlich rauchte sie nicht mehr; doch die Aufregungen der letzten Wochen hatten für einen eklatanten Rückfall gesorgt. Sie war bereits bei ihrer zweiten Schachtel Shephard’s Hotel angekommen, und noch immer lag die gemeinsame Bettruhe in einiger Ferne. Der Physiker hasste Zigaretten, aber er liebte seine Frau.
    Ihre Köchin, eine Frau in mittleren Jahren mit hell gefärbten Haaren und einer Schürze um die Hüften, hatte einen ganzen Zander zubereitet und dazu ein Gemüse aus Möhrenspitzen, Lauch, Knoblauch und gehackten Nüssen serviert. Gerade brachte sie ein Kännchen mit zerlassener Butter, als die Bundeskanzlerin zu ihrem Mann sagte: »Man müsste die Geheimdienste auflösen. Ich habe zwar noch nicht das vollständige Protokoll des Verhörs mit dem BND-Agenten Hans Strachow gelesen; aber das, was ich weiß, bringt mich enorm in Rage und zu eben jenem Schluss. Offenbar macht mancher Beamte in diesem Land, wozu er Lust hat.« Die Kanzlerin sah zornbebend auf den toten Fisch. Die Köchin verließ still den Raum. Die Tür ließ sie dabei einen Spaltbreit offen.
    »Einen besonders effektiven Eindruck hinterlassen sie nicht«, haute ihr Mann in dieselbe Kerbe. »Wo bleiben nach den Tausenden von Drohbriefen die Analysen über Gefahrenpotenziale aus Russland, der Ukraine, Weißrussland? Wenn du nicht mal vom Verfassungsschutz über die Militanz der ROK ausreichend informiert warst, fürchte ich, dass quasi jederzeit ohne dein Wissen weitere Gewaltaktionen vorbereitet werden, die dich eiskalt erwischen. Geschweige denn der Anschlag auf Stefan Rumpf. Hinnehmbar ist das jedenfalls nicht.« Die Stimmung am Tisch schaukelte sich hoch.
    Die Kanzlerin stach wütend in ihren Fisch. Ungeduldig fummelte sie eine Gräte von ihrer Gabel. Endlich war sie zwischen ihren Fingern.
    »Und wenn ich an den BND denke, an diese Schlangengrube, in der die Kontrollorgane nicht das Wort wert sind, was es bedeutet …«
    »Richtig, richtig«, sagte ihr Mann. »Man könnte fast glauben, da herrscht Absicht vor. Will man dich schwächen, mit Absicht gegen eine Wand laufen lassen? Will man dich vielleicht politisch straucheln sehen?«
    Das Gesicht der Kanzlerin wurde jetzt feuerrot. » So habe ich das noch gar nicht gesehen!«, sagte sie scharf.
    »Das solltest du aber«, antwortete ihr Mann ungerührt. Er warf ein Möhrenstück in den Mund.
    »Weißt du«, sagte sie einen Moment später in etwas ruhigerem Ton, »der Bund und die Länder geben für die einzelnen Landesämter und für das Bundesamt für Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst und die ihnen angeschlossenen Kontroll- und Aufsichtsgremien jedes Jahr Milliarden an Euro aus. Ganz zu schweigen vom Militärischen Abschirmdienst, der aus dem Etat des Verteidigungshaushalts bezahlt wird …«
    »Und«, hustete ihr Mann aufgrund einer verqueren Gräte im Hals über den Tisch, »vergiss die Spezialeinheiten der Bundespolizei nicht …«
    »Also haben wir insgesamt zig Tausende Männer und Frauen unter Sold, die im Spionagedienst stehen. Wer weiß schon, wie viele abtrünnige Agenten und andere faule Eier darunter sind. Offen gesagt, müsste man sie alle in die Wüste schicken.«
    Die Kanzlerin hatte ein Stück Knoblauch erspäht. Sie stach hinein. »Mhhh, lecker«, gurrte sie. »Doch das geht natürlich nicht.« Ihre Augen funkelten noch immer.
    »Nein, das geht nicht«, nickte ihr Mann. »Aber als Physiker sage ich dir …« - sie sah genervt zu ihm auf -, »jedes System besteht aus einer Vielzahl an Teilchen. Für den einen Betrachter mögen sie chaotisch hin- und herfliegen, ein anderer erkennt darin eine Ordnung. Doch ohne einen inneren Kern, um den sich die Teilchen bewegen, würde jedes System auseinanderfliegen und wäre unnütz. Was wäre denn, wenn du die

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