Trias
ist meine Haut, die versengt werden könnte, nicht Ihre.«
»Haben Sie Angst?«
»Natürlich! Sie bedeckt meinen Kopf!«
Kaltenborn schwieg, als denke er nach. Dann sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete: »Vincent Talo wird übrigens auch noch in der Nacht bei Ihnen sein. Dann sind Sie zu dritt. Ich wünsche Ihnen Glück.« Kaltenborn trennte die Leitung. Croy starrte fassungslos auf das Telefon. Er rannte in seinem Zimmer auf und ab. Teils vor Wut, teils vor Anspannung wegen der nächsten Stunden. Um sich etwas abzulenken, überprüfte Croy seine Ausrüstung aus der Berliner und der Prager Waffenkammer. Er probierte nochmals ihre Handhabung aus und verpackte sie wieder.
»Nie wieder Semtin«, quetschte er zwischen den Zähnen hervor. Dann löschte er das Licht und entspannte sich für eine kurze Zeit.
11
Ostseebad Marienstrand, 14. Dezember, erster Tag des G8-Gipfels, 01:55 Uhr
Als Lee Kong und Michael Storm kurz vor zwei Uhr nachts mit dem Taxi von Rostock kommend in Marienstrand eintrafen, salutierten die Wachen vor der angeblichen Japanerin und ihrer Begleitung. Einer der beiden Diplomatenpässe lautete auf den Namen einer Konsulin, der andere wies seinen Besitzer als Botschaftsattaché aus. Beide Dokumente waren zwar nicht perfekt gearbeitet, aber Soldaten besaßen dafür nicht den geschulten Blick. Sie wunderten sich nur ein wenig, dass die ersten Teilnehmer der Konferenz mitten in der Nacht eintrafen. Doch trotz verschärfter Sicherheitsvorkehrungen lautete die strikte Anweisung, bei Vorlage des Diplomatenpasses eines Teilnehmerlandes zu salutieren und freundlich die Absperrungen zu öffnen.
Miss Kong sah triumphierend auf Storm. Der blinzelte wie verrückt. Kong hatte ihm mit geübten Handgriffen mittels zweier kleiner Gummiplättchen die Augen zu asiatischen Sehschlitzen reduziert.
Für die Japaner war Haus Meerblick hergerichtet worden. Hier kurten über Jahre Lungenkranke und Asthmatiker oder beglückte der DDR-Gewerkschaftsbund seine Mitglieder mit Betriebsferien am Meer. Die zweiundzwanzig Zimmer des klassizistischen Bauwerks waren nochmals neu mit einer beigefarbenen Satin-Tapete tapeziert worden, auf die tanzende Elfen und Schmetterlinge aufgedruckt waren. Die Betten waren zwar europäisch, dafür aber die Einrichtungsgegenstände aus Japans Folkloreschatz hierher transportiert worden. Man wollte es den weit gereisten Gästen so angenehm wie möglich machen. Es dominierten die Farben Gelb und Rot.
Lee Kong und Michael Storm richteten sich nur zum Schein in einem Apartment ein, das in zwei einzelne Räume aufgeteilt und mit jeweils einem Bett, einem Tisch, zwei Sesseln und einem eingebauten Kleiderschrank eingerichtet war. Jedes Zimmer hatte zudem die technischen Voraussetzungen für eine weltweite Kommunikation. Kong war zufrieden. Dass die Japaner als letzte der Delegationen anreisen würden, hatte ihm einer seiner wichtigsten Informanten im japanischen Geheimdienst geflüstert.
Für den Weltwirtschaftsgipfel strichen mehrere Galileo-Satelliten der Europäer und GPS-Orbitspione der Amerikaner den Kurort in einer Höhe von 25 Kilometern ab. Sie lieferten nicht nur zentimetergenaue Bilder. Kong war klar, dass die Satelliten mit ihren hochfeinen Antennenempfangsanlagen auch jedes Gespräch an die europäische und amerikanische Spionageabwehr weiterleiteten und die Apartments wahrscheinlich zusätzlich verwanzt waren.
Es klopfte an seiner Zimmertür. Storm stand vor ihm, in festen Stiefeln, das Barett auf dem Kopf, gekleidet in eine Lammfelljacke und mit asiatischen Augen. Sie sprachen kein Wort.
Kong schlüpfte vorsichtig in einen schwarzen Lodenmantel und strich ihn über den Schultern und an den Hüften behutsam glatt. Er wählte ebenfalls feste Lederstiefel und setzte einen schwarzen Filzhut auf. Sein zweites Gesicht und die Kleidung verstaute er in einem Rucksack. Zu zweit verließen sie Haus Meerblick durch den Haupteingang. Die Metalldetektoren schwiegen.
Der Strand lag in nicht ganz 100 Metern Entfernung vor ihnen. Vor den Dünen zog sich ein Zaun aus Metallplatten entlang. Sein Anfang und sein Ende verschwanden im Dunkel. Storm deutete auf einen schweren schwarzen Mercedes-Geländewagen, der direkt unter einer aus Guss gefertigten Laterne stand. Seine Seitenscheiben waren verdunkelt. An seiner Heckscheibe steckte ein Schild. Darauf stand: A 1.
»Möglicherweise die Bundeskanzlerin«, sagte Storm flüsternd. Kongs aufgeregtes Nicken verschlang die
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