Trias
ausgebildet.
In der Nacht vom 28. auf den 29. Dezember 1941 landeten die Elitefallschirmabteilungen Silver A, Silver B und Anthropoid nahe den Unterschlupfen der Rebellen in den Dörfern Lezáky und Lidice. Sie hatten weitreichende Befugnisse: Kontaktaufnahme mit den Rebellen, Ausführung von Anschlägen auf deutsche Generäle und die Beseitigung Heydrichs. Über ihren Nachrichtensender - Tarnname Libuse - hielten sie fortan Kontakt mit London, um ihre Einsatzbefehle zu erhalten.
Anthropoid ging am Morgen des 29. Dezember 1941, um 2 Uhr 24, östlich von Pilsen mit Fallschirmen nieder. Ein Halifax-Bomber hatte Jozef Gabcik und Jan Kubis zu ihrem Absprungort geflogen.
Den beiden gelang es, sich nach Prag durchzuschlagen, zum dortigen Untergrund Kontakt aufzunehmen und für die nächsten Monate unterzutauchen. Hier erfuhren sie Einzelheiten über Heydrichs Gewohnheiten und seinen Tagesablauf. Am 27. Mai 1942, einem Mittwoch, postierten sie sich in einer Kurve in der Prager Innenstadt. In ihren Aktentaschen hatten sie eine zusammenlegbare Maschinenpistole Sten Gun sowie eine spezielle Handgranate mit hoher Explosivkraft. Von Kugeln getroffen, starb Heydrich nur wenige Tage später in einem Prager Krankenhaus. Seinen Tod rächte die Gestapo nach eigener Manier: Hitlers Geheimpolizei brannte das Rebellendorf Lezáky und weitere Ortschaften vollständig nieder, exekutierte Frauen, Männer, Greise und Kinder. Flüchtige wurden wie Hasen gejagt und dann getötet.
Zur Abschreckung weiteren Widerstands errichteten die Besatzer 1942 neben der Kirche von Lezáky eine Hinrichtungsstätte aus grauen Mauersteinen und einem Hakenkreuz …«
Sprock räusperte sich, um seine Luftröhre zu säubern. Er tat dies so diskret, als seien die Nachfahren der Opfer dieser Hinrichtung persönlich anwesend. Und als er sich wieder den Ausstellungstafeln zuwandte, tat er dies mit Widerwillen in den Augen. Dennoch las er weiter.
»Im gleichen Jahr deportierten die Nazis vom Bahnhof Pardubice 560 Juden aus der Region in das Konzentrationslager nach Theresienstadt. Als die Russen 1945 Pardubice befreiten, stießen sie auf ihrem Weg immer wieder auf Massengräber mit tschechischen Widerstandskämpfern. Auch in den Dörfern Lidice und Lezáky hatten die Nazis in aller Eile die Hingerichteten verscharrt. Nur wenige Tage später erreichte das Gestapo-Hauptquartier in Berlin die Nachricht vom Tod eines Mannes, der als einer der Henker von Lezáky Furcht und Schrecken verbreitet hatte: Hauptscharführer Heinrich Franzen. Unter Leitung eines blutjungen Leutnants hatte ihn ein Trupp russischer Agenten aufgespürt, verfolgt und nach einem massiv geführten Verhör an einer stattlichen Linde inmitten des Dorfes aufgehängt. Die damalige Geheimoperation trug den Namen Roter Mohn. Doch drei Männern gelang die Flucht vor der Rache des Geheimdienstkommandos. Ihre Namen und ihr Aufenthaltsort sind bis heute nicht bekannt …«
Paul Graf von Sprock hüstelte. Er hatte genug gelesen. Hitze war in ihm aufgestiegen. Es widerte ihn an, wie seiner Meinung nach die Realitäten von damals verzerrt wiedergegeben wurden. Kriegszeiten sind keine Schonzeiten, dachte er verächtlich. Was in den Tagen nach der Ankunft der russischen Truppen geschah, wussten nur die beteiligten Familien der Wehrmachtsoffiziere und er selbst. Nicht auszudenken, dachte Sprock beim Hinausgehen, käme diese Geschichte ans Licht. Auf dem Rückweg schlug er einen Bogen zu einer großen Lichtung, auf der mehrere Holzkreuze und namenlose Gräber eingelassen waren. Seine Gedanken kippten in die Vergangenheit, von der ihm sein Vater so ausführlich berichtet hatte.
Nach Kriegsende hatten sich die geflohenen Angehörigen des Hinrichtungskommandos von Lezaky nach Reichenberg durchgeschlagen. Sie gelangten über verschlungene Wanderpfade nach Frydlant und überquerten bei Nacht die polnischtschechische Grenze bei Zawidow, nahe der deutschen Grenzstadt Görlitz. Hier trennten sich erst einmal ihre Wege.
Doch das Schicksal Heinrich Franzens ließ sie nicht los. Er war ihnen immer Vorbild gewesen, hatte gnadenlos die Feinde Nazideutschlands verfolgt, war ein charismatischer Anführer und für manch jungen Soldaten eine Vaterfigur gewesen. Die Trauer über den verlorenen Kameraden, aber auch Wut und Hass auf die Russen führten sie ein Jahr später noch einmal zusammen.
Es war der 24. Juni 1946. Man war wieder zu dritt gekommen und traf sich im Ort ihres damaligen Abschieds.
Nichts an den Männern
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