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Trias

Titel: Trias Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Kayser
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verriet, dass sie einst Waffen und Uniformen mit den SS-Totenköpfen an den Kragenspiegeln getragen hatten. Der Tisch im Gesellschaftsraum des Wirtshauses Zur Linde blieb für andere Gäste unsichtbar. Erst kam Bier, dann ein paar Schnäpse. Man wollte Sühne für den Tod Franzens und den Verlust der böhmisch-mährischen Volksgebiete. Vom Alkohol beschwingt und von Rache erfüllt, skizzierten sie auf losen Blättern ihre Gewaltfantasien über Anschläge auf die russische Generalität in Ostberlin und Truppenteile im nahen Dresden. Einer von ihnen, Maximilian Graf Sprock, Franzens engster Freund, schlug vor, herauszufinden, wer der Leutnant war, der seinen Kameraden auf dem Gewissen hatte. Als man aufbrach, schworen sie Nibelungentreue und tranken das letzte Glas auf den Geist des Führers.
    Inzwischen waren weit mehr als sechs Jahrzehnte vergangen, und nie war ihnen der Zeitpunkt für ihren Rachefeldzug als richtig erschienen. Bis auf einen waren die Kameraden von einst inzwischen verstorben. Der letzte verbliebene Racheengel war Franzens Freund Maximilian Graf Sprock. Ein Mann im Alter eines Methusalems.
    Paul, sein Sohn, war wieder an seinem Wagen angelangt. Er verließ die Überreste des Dorfes und schlug den direkten Weg nach Prag ein.

2
    Prag, Stadtteil Letna, gleicher Tag, 21:14 Uhr
    Auf der Mala Strana , der Kleinen Seite , dem Stadtviertel an der Prager Burg, steht auf einem Plateau über der Moldau ein weißes Schlösschen mit reich verzierten Giebeln. Die Außenwände verzieren steinerne Früchte, wilder Wein umrankt das Eingangsportal.
    Obwohl im Restaurant Platz für mehr als einhundert Gäste war, saßen nur zwei Männer im Raum. Beide sprachen Englisch miteinander.
    Der eine, Thomas Gordon Spread, war mit der letzten Abendmaschine direkt aus New York nach Prag gekommen. Offiziell war er als Senior Fellow des FIES zu einem Vortrag geladen, in dem es um die strategische Partnerschaft zwischen den USA und den neuen EU-Beitrittsländern ging. Zur Sprache sollte die Abhängigkeit des Westens von den Rohstoffen und vom Erdölpreis kommen. Doch dies war auch der Zeitpunkt, um einen Auftrag in die letzte Phase zu führen.
    Er sah mit ernsthafter Miene auf seinen Tischpartner.
    Als der Kellner kam, bestellten sie zwei halbe Liter dunkles Bier und zwei doppelte Portionen Pflaumenschnaps. Spread schmatzte nach dem ersten Schluck genießerisch.
    Dann sagte er: »Lieber Graf, können wir mit Ihrem Vater noch rechnen?« Spread war nicht nur der Vordenker von FIES, sondern auch deren eifrigster Geldbeschaffer. Jede Spende war wichtig.
    Paul Graf von Sprock sah ihn durchdringend an. »Soweit ich weiß, hatte er Ihnen doch die gewünschte Summe überwiesen, oder?«
    Spread setzte einen bescheidenen Blick auf, sah auf seine Fingernägel. Er plante nie kurzfristig. »Meine Frage ging in eine andere Richtung, Graf. Wie lange, meinen Sie, kann er uns noch unterstützen?«
    »Wenn der Vertrag erst einmal besiegelt ist«, sagte Sprock ausweichend, »sind wir beide nicht mehr von den Zuwendungen anderer für unser Netzwerk abhängig. Was denken Sie, wann wird es so weit sein?« Er nahm einen tiefen Schluck. Sein Adamsapfel tanzte. Vor seinem inneren Auge sah er den Koffer mit dem Geld schon vor sich.
    Spread lächelte etwas angestrengt. Dann sagte er: »Laut Vertrag ist die erste Rate fällig, wenn der Entwurf von den beteiligten Ländern abgenommen ist. Das Treffen dafür findet nächste Woche in Berlin statt. Das wären zweieinhalb Millionen Dollar. Die weiteren drei Zahlungen werden aufgeteilt bis zum Termin der Unterschrift am Ende des Monats.«
    Spread hatte darauf bestanden, das Geld in bar zu bekommen. Er hatte die Scheine gern vor sich.
    »Wie es aussieht, werden wir und unsere Organisation bald mehr Geld haben, als wir jemals selbst verdienen würden. Damit dürften wir unseren Vorrat auffüllen und sogar noch unseren Veteranen einen Obolus zahlen können. Und Deutschland bekommt endlich, was es verdient«, ergänzte Spread.
    Graf Sprock war zufrieden. Auf diesen Augenblick hatten sie lange zugearbeitet. Er nahm einen tiefen Schluck aus seinem Glas und lächelte sein Gegenüber an.
    » Wenn alles so läuft, wie wir es uns vorstellen …«, ergänzte Spread.
    »Wieso ›wenn‹? Haben Sie Zweifel?« Sprock waren Gewissheit und Sicherheit wichtig. Als geistiger Führer und einer der wichtigsten Unterstützer rechtsextremer Netzwerke in Europa hatte er etliche Freunde, aber auch viele Feinde. Zwar hielt sich sein

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