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Tribunal

Tribunal

Titel: Tribunal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Erfmeyer
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rückten zusammen und zugleich von den vier anderen ab. Löffke wagte nicht, die Frage zu stellen, die sich unweigerlich aufdrängte. Sein Gesicht war rot angelaufen. Er atmete hastig, so wie immer, wenn ihn etwas bewegte und er keine Gelegenheit fand, seiner Erregung freien Raum zu lassen.
    Dörthe sah unsicher zu ihm auf und blieb solidarisch still.
    »Also geht es nicht um uns, ist das richtig?«, fragte Frodeleit nach. »Frau Schwarz, Herr Knobel, meine Frau und ich sind außen vor, stimmt das?«
    »Außen vor was?«, hallte es in die Kathedrale.
    »Wir denken, es geht um Ihr Experiment.«
    Ein ungeduldiges Seufzen. »Wenn es nur ein Experiment wäre, würde es Sie alle betreffen. Aber es geht um mehr, Herr Frodeleit.«
    Der Richter näherte sich von der anderen Seite.
    »Aber es ist doch Ihr Projekt für die Kulturhauptstadt, Herr Bromscheidt. Es ist Ihre Idee, die wir mit Ihnen verwirklichen wollen. Sind wir denn nicht Ihre Partner?«
    »Fragen Sie Ihren Kollegen Löffke! Er weiß, warum Sie in dieser misslichen Lage sind.«
    Die Verbindung riss knisternd ab. Bromscheidt hatte sich ausgeschaltet.
    Löffke hob abwehrend die Hände. »Ich kann es nur wiederholen, Achim: Ich weiß nicht, wovon er redet. Ich kenne ihn nicht, wirklich nicht.«
    »Wir müssen zusammenhalten«, mahnte Marie. »Sonst macht er mit uns, was er will.«
    »Das hört sich nicht danach an«, widersprach Verena. »Gerade Sie und Herr Knobel sollten sich glücklich schätzen. Ihnen will er offensichtlich überhaupt nichts.«
    Sie stieß ihren Mann an. »Du musst wieder den Kontakt zu Bromscheidt suchen!«
    Frodeleit löste sich aus der Gruppe und breitete die Arme aus. Die Hallenwände waren nur grob verputzt. Kleine Nischen und ausgebrochene Stellen warfen Schatten. Im Licht der Deckenfluter wirkte die Wand wie ein Flickenteppich heller und dunkler Stellen. Frodeleit vermutete, dass sich hier Bromscheidts Kameraauge befand. Er wagte nicht, mit der Taschenlampe, die sie nach dem Eintritt in die Halle ausgeknipst hatten, nach der Kamera in den dunklen Nischen zu suchen.
    »Wir haben Ihnen nichts getan«, sagte Frodeleit kindlich wehleidig mit beschwörender Stimme. Er hielt die Arme ausgebreitet, demütig und einladend, friedfertig und versöhnlich wie ein Priester beim Abendmahl.
    »Fragen Sie Löffke!«, kam es nach einem Knacken zischend zurück; dann schaltete sich Bromscheidt wieder ab.
    Löffke blickte zu Boden. Er konnte den anderen nicht ins Gesicht schauen. Achim, sein Freund, beäugte ihn wie einen Angeklagten in einem seiner Prozesse. Er lauerte auf eine Antwort, die Löffke nicht geben konnte. Die langjährige Freundschaft hing am seidenen Faden, nur weil eine schallende Lautsprecherstimme vage Andeutungen machte. Alle, die sich hier unten befanden, ahnten, dass eine Person mit dem Kunstnamen Bromscheidt eine Bunkerkathedrale erbaut hatte, um eine satanische Inquisition zu zelebrieren. Schon allein aus dem Aufwand, den Bromscheidt betrieb, konnte man auf die Dimension des Vergehens schließen, dessen Bromscheidt Löffke anklagte. Das Fatale daran war: Löffke war sich keiner Schuld bewusst.
    Frodeleit sah Löffke milde und müde ins Gesicht. »Wir sind seit rund zweieinhalb Stunden in diesem Bunker. Es liegt an dir, die Sache zu beenden. Tu es um unserer Freundschaft willen!« Der Satz war befehlend und kalt, wobei das Wort Freundschaft geradezu zynisch klang.
    »Aber du kennst mich doch«, verteidigte sich Löffke. Ihm erschienen schlagartig Szenen ihrer gemeinsamen Zeit vor dem geistigen Auge: Das Kennenlernen zu Beginn des Referendariats, als sie zufällig nebeneinander im Übungsraum saßen und schon bald Adressen und Telefonnummern austauschten. Eine Annäherung ohne persönliche Verbindung, eher eine organisatorische Verbundenheit, begründet in dem Willen, sich gemeinsam mit den neuen Strukturen des Referendariats vertraut zu machen. Zu diesem Zeitpunkt war es noch eine Zweckgemeinschaft. Keiner wollte in diesem Ausbildungsabschnitt allein sein. Ein kurz vor der Pension stehender Vorsitzender Richter vom Dortmunder Landgericht leitete die Referendararbeitsgemeinschaft, der keine Gelegenheit versäumte, das das Referendariat beschließende Examen als die wichtigste Prüfung im Leben eines Juristen zu bezeichnen, und in der Regel damit schloss, dass er alles richtig gemacht habe und einen jeden Schritt im Leben heute so wieder tun würde. Das breiige Eigenlob ließ Löffke und Frodeleit gleichermaßen unbeeindruckt. Löffke

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