Tribunal
verhalten hatte.
»Und Ihr ständiges Prahlen mit den eigenen Umsatzzahlen?«, hakte Stephan nach.
»Ist zugleich eine Motivation für die anderen, mir nachzustreben«, erklärte Löffke. »Jetzt tun Sie nicht so, als würden Sie nicht auch kräftig zulangen, wenn es um die Abrechnung geht. Die Leute wissen doch, dass Anwälte teuer sind. Meinen Sie, da kommt es auf 100 Euro mehr oder weniger an?«
Stephan sah auf die gegenüberliegende Bücherwand. Mit wie viel Liebe hatte er einst die Bücher in das Regal gestellt, stolz darauf, mit seiner Aufnahme als Sozius zugleich zum Chef aufzusteigen und in einem Büro residieren zu dürfen, das die Mandanten beeindruckte. Überall in der Kanzlei herrschte Ordnung. Alles war sauber geputzt und gepflegt. Staub wurde auch von den Büchern entfernt, die nur selten oder nie benutzt wurden. Hinter dieser reinlichen Fassade wucherte ein Geschwür wie Hubert Löffke. Stephan hatte ihn nie gemocht, von seinen unsauberen Methoden mehr geahnt als gewusst und manchmal weggeschaut, als sich seine Ahnungen zum Verdacht erhärteten. Löffke hatte manchmal sogar etwas Sympathisches an sich, wenn er seine allzu offensichtlichen Strategien in dem Glauben verfolgte, dass man seine wahren Absichten nicht durchschauen würde. Stephan hatte sich blind gestellt und Löffke saß nun in der Überzeugung vor ihm, dass er seine unlauteren Methoden wie selbstverständlich gutheißen würde.
»Ich schäme mich für Sie«, sagte Stephan leise. »Und ich weiß, dass es so nicht mehr weitergehen wird.«
Löffkes Augen flackerten nervös. »Was ist plötzlich los mit Ihnen, Knobel?«
»Hat Britta Stein recht?«, fragte Stephan.
Löffke schwieg.
»Also: Sie hat recht«, folgerte Stephan.
»Sie meint es ernst, oder?«, fragte Löffke gereizt.
Stephan nickte. »Ich vermute ja.«
»Hat es Sinn, ihr Geld anzubieten? Was meinen Sie?« Löffke griff nach der Zigarettenschachtel.
»Hier nicht!«, fauchte Stephan.
Löffke pflegte in seinem Büro ständig zu rauchen und insbesondere dann eine Zigarette anzuzünden, wenn sich ein Geschäft anbahnte. Er steckte die Zigarette wieder ein.
Stephan schüttelte verständnislos den Kopf. »Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass Britta Stein an Geld interessiert ist.«
»Sie meinen, wir sollten es nicht einmal versuchen?«, fragte Löffke kindlich naiv.
»Zwecklos! Sie waren doch in ihrem Haus, als wir Bromscheidt besuchten. In diesem Haushalt geht es nicht um Geld, Herr Löffke.«
»Wenn sie ernst macht, bin ich erledigt – und damit auch die Kanzlei«, erwiderte Löffke matt. »So etwas überleben wir nicht.« Er biss sich nervös auf die Lippen.
»Sie werden es nicht überstehen – die Kanzlei schon«, hielt Stephan ruhig dagegen. »Wir kündigen einfach den Sozietätsvertrag.«
»Das meinen Sie nicht im Ernst, Knobel! Wir sind wir – auch in schlechten Zeiten. Sie wissen, dass ich seit Jahren hier den höchsten Umsatz mache. Ohne mich stirbt der Laden.«
In der Tat wies Löffkes Bilanz jährlich die höchsten Umsätze aus. Er war, wie er selbst gern über sich sagte, der Macher. Aber nun war klar, worauf der Erfolg beruhte.
»Sie hängen mit drin«, frohlockte Löffke. »Alle hängen mit drin. Mit mir ertrinken alle. Hinter mir gibt es nur versenkte Schiffe.«
Er war sich nicht zu schade, die Kanzlei, in deren Dienst er immer alles zu tun vorgab, ohne Wimpernzucken zu opfern, wenn es ihm an den Kragen ging. Das Wir-Gefühl, an das Löffke unentwegt mit großen Worten appellierte und doch letztlich nur sein Ego streicheln sollte, forderte er im Niedergang ernsthaft ein. Löffke würde beim Rückzug alles zerstören. Er war zur Kapitulation bereit und würde sie zu einer Riesenhavarie ausschlachten, die alle in den Strudel zog. Löffke war in die Enge getrieben. Jetzt wurde er wirklich gefährlich.
»Sie wissen, was Britta Stein von Ihnen erwartet?«, fragte Stephan.
»Ich soll Achims Beförderung verhindern«, antwortete Löffke. »So ist es ihren Worten zu entnehmen.«
Stephan nahm den Brief in die Hand und überflog die Zeilen auf der Suche nach der entsprechenden Passage.
»Ja«, nickte er bestätigend, »so steht es in Britta Steins Brief.«
»Ich kann die Beförderung nicht verhindern und ich will es auch nicht«, erwiderte er trotzig.
»Aber Sie könnten es, wenn Sie nur wollten«, widersprach Stephan.
Löffke sah ihn verständnislos an.
»Was ist wirklich in dem Stollen passiert?«, fragte Stephan weich. »Sie können es mir ruhig
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