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Tricks

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Titel: Tricks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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schreiben, hat nach und nach in meinem Kopf Gestalt angenommen, also bin ich hingegangen, um mit ihr zu reden. Und ich habe wirklich und wahrhaftig aus meiner wissenschaftlichen Neugier heraus gehandelt, die ein Bestandteil meines Naturells ist, für den ich mich nie entschuldigen werde. Du scheinst der Meinung zu sein, dass ich Dich hätte um Erlaubnis bitten müssen oder über alle meine Pläne und Schritte unterrichten müssen, zu einer Zeit, als Du herumgerannt bist wie ein aufgescheuchtes Huhn wegen Deines Hochzeitskleides und der Hochzeitsgeschenke und wie viel silberne Tabletts oder Gott weiß was Du bekommst.
    Was Tessa angeht, so irrst Du Dich völlig, wenn Du meinst, dass ich sie vergessen habe, nachdem jetzt der Artikel erschienen ist, oder mir keine Gedanken gemacht habe, wie das ihr Leben verändern wird. Und tatsächlich habe ich einen Brief von ihr erhalten, der nichts davon erwähnt, dass es so wüst zugeht, wie Du beschrieben hast. Jedenfalls wird sie ihr Leben dort nicht mehr lange ertragen müssen. Ich stehe mit einigen Leuten in Verbindung, die den Artikel gelesen haben und großes Interesse bekunden. Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen ernsthafter Art, die sich mit diesen Dingen beschäftigen, einige hier, aber die meisten in den Staaten. Ich habe den Eindruck, dass jenseits der Grenze mehr Geld dafür zur Verfügung gestellt wird und größeres Interesse daran besteht, also lote ich die Möglichkeiten aus – für Tessa als Forschungsgegenstand und für mich als wissenschaftlichem Journalisten auf diesem Gebiet –, die es in Boston oder in Baltimore oder vielleicht auch in North Carolina gibt.
    Ich bedauere es, dass Du so schlecht von mir denkst. Du erwähnst überhaupt nichts davon – bis auf einen verschleierten (glücklichen?) Hinweis –, wie Dein Eheleben verläuft. Kein Wort über Wilf, aber ich nehme an, Du hast ihn nach Quebec City mitgenommen, und ich hoffe, ihr habt euch gut amüsiert. Ich hoffe, er ist so tüchtig wie immer.
    Dein Ollie.
     
    Liebe Tessa,
    offenbar hast Du Dein Telefon abstellen lassen, was bei all der Berühmtheit, der Du Dich jetzt erfreust, notwendig gewesen sein mag. Das ist nicht gehässig gemeint. Es passiert mir in diesen Tagen oft, dass ich mich ganz anders anhöre, als es eigentlich meine Absicht ist. Ich erwarte ein Kind – ich weiß nicht, ob Du davon gehört hast –, und das macht mich offenbar sehr empfindlich und leicht reizbar.
    Ich kann mir vorstellen, dass Du sehr viel um die Ohren hast, bei all den Leuten, die Dich jetzt aufsuchen. Es muss schwierig für Dich sein, Deinem normalen Tagewerk nachzugehen. Wenn Du Gelegenheit dazu findest, würde ich mich sehr freuen, Dich zu sehen. Das ist also eigentlich eine Einladung, mich zu besuchen, wenn Du je in die Stadt kommst (beim Kaufmann hörte ich, dass Du Dir jetzt alles liefern lässt). Du warst noch gar nicht in meinem neuen – ich meine, in dem neu eingerichteten und für mich neuen – Haus. Und auch nie in meinem alten Haus, wenn ich es jetzt bedenke – immer bin ich hinausgelaufen zu Dir. Und auch nicht so oft, wie ich es gern getan hätte. Das Leben ist immer so vollgestopft. Erwerbend und ausgebend erschöpfen wir unsere Kräfte. Warum sind wir nur immer so geschäftig und versäumen es darüber, die Dinge zu tun, die wir lieber hätten tun sollen oder lieber getan hätten? Weißt Du noch, wie wir die Butter mit den alten hölzernen Kochlöffeln geklopft haben? Mir hat das Spaß gemacht. Das war der Tag, an dem ich Ollie mitgenommen habe, damit er Dich kennenlernt, und ich hoffe, Du bedauerst es nicht.
    Tessa, ich hoffe, Du denkst nicht, dass ich mich einmische oder meine Nase in Dinge stecke, die mich nichts angehen, aber Ollie hat in einem Brief an mich erwähnt, dass er mit einigen Leuten in den Staaten in Verbindung steht, die Untersuchungen durchführen oder so etwas. Ich nehme an, er hat Dich davon unterrichtet. Ich weiß nicht, was für Untersuchungen er meint, aber ich muss sagen, als ich diesen Teil seines Briefes las, ist mir das Blut in den Adern erstarrt. Ich spüre einfach im Herzen, dass es nicht gut für Dich ist, von hier fortzugehen – falls du das in Erwägung ziehst –, irgendwohin, wo niemand Dich kennt oder in Dir eine Freundin sieht oder einen ganz normalen Menschen. Das musste ich Dir einfach sagen.
    Es gibt noch etwas, was ich Dir sagen muss, obwohl ich nicht weiß, wie. Nämlich dies. Ollie ist bestimmt kein schlechter Mensch, aber er hat eine bestimmte

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