Tricks
erkennen, ob er kam, um sie zu begrüßen, oder nur ihren Weg kreuzte, aber er lächelte, er schien freundlich zu sein, also sagte sie ihm, wer sie war und wen sie besuchen wollte. Er hörte zu, nickte mehrmals, lächelte noch breiter, dann schüttelte er den Kopf und tippte sich mit den Fingern an den Mund – um ihr zu zeigen, dass er nicht sprechen konnte oder durfte, wie in einem Spiel, und setzte seinen Weg fort, schob die Karre rumpelnd eine Rampe in einen Keller hinunter.
Er war offenbar ein Insasse, kein Angestellter. Es musste eine Anstalt sein, in der die Patienten zur Arbeit angehalten wurden, wenn sie arbeiten konnten. Aus dem Gedanken heraus, dass es gut für sie sein würde, und vielleicht war es das ja auch.
Schließlich kam eine verantwortlich aussehende Person, eine Frau etwa in Nancys Alter, die ein dunkles Kostüm trug – ohne die weiße Schürze, die fast alle anderen einhüllte –, und Nancy wiederholte alles. Dass sie einen Brief erhalten hatte, da sie von einem Insassen – einem Bewohner, wie man hier lieber hörte – als die Person genannt worden war, an die man sich wenden solle.
Sie hatte recht gehabt mit ihrer Annahme, dass die Leute in der Küche nicht zum Personal gehörten.
»Aber sie scheinen gerne hier zu arbeiten«, sagte die Oberschwester. »Sie sind stolz darauf.« Mit warnendem Lächeln nach links und rechts führte sie Nancy in ihr Büro, das von der Küche abging. Rasch wurde im Laufe des Gesprächs klar, dass sie auf alle möglichen Unterbrechungen eingehen musste, Entscheidungen über die Küchenarbeit zu treffen und Klagen zu beschwichtigen hatte, wenn jemand, der in eine weiße Schürze eingewickelt war, zur Tür hereinschaute. Außerdem oblag es ihr auch, die Akten zu führen, die Abrechnungen und Berichte zu bearbeiten, die in recht unbürokratischer Manier an Haken ringsum an den Wänden spießten. Und sie musste sich um Besucher wie Nancy kümmern.
»Wir sind die alten Unterlagen durchgegangen, die wir vorgefunden haben, und haben die Namen und Adressen der Personen herausgesucht, die als Angehörige angegeben waren …«
»Ich bin keine Angehörige«, sagte Nancy.
»Oder als Bezugspersonen, und wir haben Briefe geschrieben wie den, den Sie erhalten haben, einfach um in Erfahrung zu bringen, welche Wünsche hinsichtlich der Behandlung dieser Fälle bestehen. Leider haben wir nicht viele Antworten erhalten. Ich danke Ihnen, dass Sie sich auf den weiten Weg hierher gemacht haben.«
Nancy fragte, was mit »diesen Fällen« gemeint war.
Die Oberschwester erwiderte, dass sich hier seit vielen Jahren Leute befanden, die vielleicht gar nicht hergehörten.
»Sie müssen wissen, dass ich hier neu bin«, sagte sie, »aber ich werde Ihnen erzählen, was ich weiß.«
Das Haus, so ihr Bericht, war buchstäblich ein Auffangbecken für solche gewesen, die wirklich geisteskrank oder senil waren, oder für solche, die sich nie normal entwickeln würden, sei es in geistiger oder körperlicher Hinsicht, oder für solche, deren Angehörige nicht für sie sorgen konnten oder wollten. Es hatte immer große Unterschiede gegeben und gab sie noch. Die schweren Problemfälle waren alle im Nordflügel untergebracht, in der geschlossenen Abteilung.
Ursprünglich war es eine Privatklinik gewesen, im Besitz und unter der Leitung eines Arztes. Nach seinem Tod wurde sie von der Familie – der Familie des Arztes – übernommen, die, wie sich herausstellte, ganz eigene Vorstellungen von der Führung des Hauses hatte. Es war zum Teil in eine gemeinnützige Einrichtung umgewandelt worden, und es hatte ungewöhnliche Verfahren gegeben, um staatliche Zuschüsse für bedürftige Patienten zu erhalten, die eigentlich gar keine Sozialfälle waren. Einige davon waren inzwischen verstorben, andere hatten überhaupt keinen Anspruch darauf, hier zu sein. Viele davon arbeiteten natürlich für ihren Unterhalt, und das mochte ihnen Auftrieb gegeben haben – gab ihnen Auftrieb –, aber es entsprach überhaupt nicht den Vorschriften und war ungesetzlich.
Und nun hatte es eine gründliche Untersuchung gegeben, und das ganze Haus sollte geschlossen werden. Das Gebäude war ohnehin völlig veraltet. Von den räumlichen Gegebenheiten her war es zu klein, heutzutage handhabte man das völlig anders. Die schweren Fälle sollten in eine große Einrichtung in Flint oder Lansing kommen – die Entscheidung war noch nicht gefallen –, und einige konnten in betreute Wohngemeinschaften, wie es dem neuen
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