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Tricks

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Titel: Tricks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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Kartoffeln anzuhäufeln, und dass er, falls er Gelegenheit erhalten wollte, mit ihr zu reden, das auch zu seiner Beschäftigung machen musste.
    Im Laufe dieser Zeit ging Nancy immer stärker in den Hochzeitsvorbereitungen auf, konnte keinen Gedanken mehr an Tessa verschwenden und kaum noch einen an ihn, außer, um ein- oder zweimal festzustellen, dass er jetzt nie da zu sein schien, wenn sie ihn brauchte.
    *
    29 . April. Lieber Ollie,
    ich habe immer gedacht, wir würden etwas von Dir hören, seit wir aus Quebec City zurück sind, und zu meiner Überraschung haben wir nichts von Dir gehört (nicht einmal zu Weihnachten!), aber dann, so kann ich wohl sagen, bin ich dahintergekommen, warum nicht – ich habe mehrmals einen Anlauf unternommen, Dir zu schreiben, aber ich musste es aufschieben, bis ich mit meinen Gefühlen im Reinen war. Ich könnte jetzt schreiben, vermutlich war der Artikel im Wochenblatt, oder der Bericht oder wie man das nennt, gut geschrieben und wird bestimmt in einer Zeitschrift erscheinen, und Du kannst stolz auf ihn sein. Vater gefällt nicht der Hinweis auf eine »kleine« Hafenstadt, und er würde Dich gern daran erinnern, dass dies der beste und betriebsamste Hafen auf dieser Seite vom Lake Huron ist, und ich bin mir nicht sicher, ob mir das Wort »prosaisch« gefällt. Ich weiß nicht, ob diese Stadt prosaischer ist als irgendeine andere und wie sie Deiner Meinung nach sein sollte – poetisch?
    Das Hauptproblem ist jedoch Tessa und das, was das alles ihrem Leben antun wird. Wahrscheinlich hast Du das überhaupt nicht bedacht. Ich konnte sie am Telefon nicht erreichen, und ich kann mich nicht mehr ohne Umstände hinter das Lenkrad eines Autos setzen (die Gründe dafür überlasse ich Deiner Phantasie), um hinzufahren und sie zu besuchen. Jedenfalls kann sie sich, nach allem, was ich höre, nicht retten vor Leuten, die herkommen, und es ist die schlimmste Jahreszeit für Automobile, dahin zu gelangen, wo sie wohnt, und die Abschleppfahrzeuge haben die Leute aus dem Straßengraben herausgeholt (wofür sie kein Dankeschön erhielten, nur eine Standpauke über unsere Rückständigkeit). Der Weg ist in schrecklichem Zustand, völlig zerfurcht und nicht zu reparieren. Die wilden Rosen werden bald der Vergangenheit angehören. Der Stadtrat ist bereits in Aufruhr wegen der Kosten, die das am Ende verursachen wird, und viele Leute sind sehr wütend, weil sie meinen, dass Tessa hinter all dem Rummel steckt und jetzt Geld scheffelt. Sie glauben nicht, dass sie das alles umsonst tut, und wenn irgendjemand daran verdient, dann Du. Ich zitiere Vater, wenn ich das sage – ich weiß, Du bist kein materialistisch gesinnter Mensch. Für Dich geht es nur um den Ruhm, gedruckt zu werden. Verzeih mir, wenn mir das sarkastisch vorkommt. Es ist gut, ehrgeizig zu sein, aber was ist mit anderen Menschen?
    Vielleicht hast Du ja einen Glückwunschbrief erwartet, und hoffentlich wirst Du mir verzeihen, aber ich musste mir das von der Seele schreiben.
    Nur noch eins. Ich möchte Dich fragen, hast Du die ganze Zeit über daran gedacht, das zu schreiben? Ich habe inzwischen erfahren, dass Du mehrmals allein bei Tessa warst. Du hast mir nie etwas davon gesagt und mich auch nie gefragt, ob ich mitkomme. Du hast nie angedeutet, dass Du Material sammelst (ich glaube, so würdest Du das nennen), und soweit ich mich erinnere, hast Du die ganze Begegnung in recht schnippischer Weise abgetan. Und in Deinem ganzen Text steht nicht ein Wort davon, dass ich Dich hingebracht und mit Tessa bekanntgemacht habe. Nicht die geringste Anerkennung, ebensowenig wie irgendeine private Anerkennung oder ein Wort des Dankes. Und ich frage mich, wie ehrlich Du zu Tessa über Deine Absichten warst oder ob Du ihre Erlaubnis eingeholt hast für die Betätigung – jetzt zitiere ich Dich – Deiner wissenschaftlichen Neugier? Hast Du ihr erklärt, was Du mit ihr machst? Oder bist Du einfach hergekommen und hast nur die prosaischen Leute hier benutzt, um Deine Karriere als Schriftsteller zu begründen?
    Dann viel Glück, Ollie, ich erwarte nicht, je wieder etwas von Dir zu hören. (Nicht, dass wir je die Ehre gehabt hätten, schon einmal etwas von Dir zu hören.)
    Deine angeheiratete Cousine Nancy.
     
    Liebe Nancy,
    Nancy, ich muss sagen, ich finde, Du machst aus einer Mücke einen Elefanten. Tessa musste irgendwann von jemandem entdeckt und »herausgebracht« werden, und warum sollte ich nicht dieser Jemand sein? Die Idee, diesen Bericht zu

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