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Tricks

Tricks

Titel: Tricks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
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Nudeln. Die Essstäbchen waren ihr fremd – sie kamen ihr anders vor als die chinesischen Essstäbchen, die sie ein- oder zweimal benutzt hatte –, aber sie waren alles, was zur Verfügung gestellt wurde.
    Jetzt, wo sie zur Ruhe gekommen waren, müsste sie von Tessa sprechen. Aber vielleicht war es rücksichtsvoller abzuwarten, bis er von ihr berichtete.
    Also redete sie über die Kreuzfahrt. Sie sagte, sie werde nie wieder eine mitmachen, und wenn es ihr das Leben retten würde. Es lag nicht am Wetter, obwohl das zum Teil schlecht war, mit Regen und Nebel, die die Aussicht versperrten. Sie bekamen trotzdem genug Aussicht, mehr als genug für ein ganzes Leben. Ein Berg nach dem anderen, eine Insel nach der anderen, Felsen, Wasser, Bäume. Ständig aus aller Munde: Ist das nicht phantastisch? Ist das nicht sagenhaft?
    Sagenhaft, sagenhaft, sagenhaft. Phantastisch.
    Sie sahen Bären. Sie sahen Robben, Seelöwen, einen Wal. Alle machten Fotos. Schwitzend und schimpfend und besorgt, dass ihre nagelneuen, mit allen Schikanen ausgestatteten Kameras nicht richtig funktionierten. Dann runter vom Schiff und die Fahrt in der berühmten Eisenbahn zu der berühmten Goldgräberstadt, und weitere Fotos und Schauspieler in Kostümen der Fröhlichen Neunziger Jahre, und was taten die meisten? Stellten sich an, um Sahnebonbons zu kaufen.
    Liedersingen im Zug. Und auf dem Schiff das Saufen. Manche fingen schon gleich nach dem Frühstück damit an. Kartenspiele, Glücksspiele. Jeden Abend Tanz, mit zehn alten Frauen und einem alten Mann.
    »Alle mit Schleifchen und Löckchen und Pailletten und auftoupiert wie Pudel bei einer Hundeschau. Ich sage dir, der Konkurrenzkampf war wüst.«
    Ollie lachte an verschiedenen Stellen des Berichts, obwohl sie ihn einmal dabei ertappte, dass er nicht sie ansah, sondern zur Theke schaute, mit einem geistesabwesenden, besorgten Gesichtsausdruck. Er hatte seine Suppe aufgegessen und dachte vielleicht daran, was als Nächstes kam. Womöglich fühlte er sich, wie etliche Männer, zurückgesetzt, wenn sein Essen nicht sofort kam.
    Nancy rutschten immer wieder die Nudeln von den Stäbchen.
    »Und allmächtiger Gott, dachte ich immer wieder, was, bitteschön, tue ich hier? Alle hatten auf mich eingeredet, du musst mal aus allem raus. Wilf war ein paar Jahre lang nicht mehr er selbst, und ich habe ihn zu Hause gepflegt. Nach seinem Tod hieß es, du musst mal aus dem Haus kommen, du musst dich engagieren. Eintreten in den Seniorenbuchclub, in die Seniorenwandergruppe, bei den Freunden der Aquarellmalerei. Sogar beim Freiwilligen Besuchsdienst, wo man hingeht und sich den armen, hilflosen Insassen von Pflegeheimen aufdrängt. Mir war einfach nicht danach, irgendetwas Derartiges zu tun, und dann fingen alle davon an, du musst verreisen, du musst verreisen. Meine Kinder auch. Du musst mal völlig abschalten. Ich konnte mich nicht recht entscheiden, und ich wusste eigentlich nicht, wie ich verreisen sollte, und jemand hat gesagt, dann geh doch auf eine Kreuzfahrt. Also dachte ich, gut, gehe ich auf eine Kreuzfahrt.«
    »Interessant«, sagte Ollie. »Ich glaube, wenn ich eine Ehefrau verloren hätte, wäre ich kaum auf die Idee gekommen, auf eine Kreuzfahrt zu gehen.«
    Nancy ließ sich davon nicht verunsichern. »Wie klug von dir«, sagte sie.
    Sie wartete darauf, dass er etwas über Tessa sagte, doch stattdessen versuchte er sie dazu zu überreden, etwas von seinem Fisch zu probieren.
    Sie weigerte sich. Sie verabschiedete sich sogar endgültig von ihrer Mahlzeit und zündete sich eine Zigarette an.
    Sie sagte, sie habe immer danach Ausschau gehalten und darauf gewartet, etwas von ihm Geschriebenes zu lesen, nach dem Artikel, der eingeschlagen war wie eine Bombe. Und der bewiesen hatte, dass er schreiben konnte, sagte sie.
    Er schaute für einen Augenblick ratlos drein, als wüsste er überhaupt nicht, wovon sie redete. Dann schüttelte er den Kopf, als sei er unangenehm berührt, und sagte, das sei Jahre her, Jahre her.
    »Es war nicht das, was ich eigentlich wollte.«
    »Was meinst du damit?«, fragte Nancy. »Dass du nicht mehr so bist wie früher? Du bist nicht mehr derselbe.«
    »Natürlich nicht.«
    »Ich meine, etwas ist grundsätzlich, körperlich anders. Du bist anders gebaut. Deine Schultern. Oder habe ich das falsch in Erinnerung?«
    Er sagte, genau das sei es. Ihm sei klargeworden, dass er ein körperbetonteres Leben führen wollte. Nein. In der richtigen Reihenfolge. Der alte Dämon hatte sich

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