Tricks
Mäuse wanderten zusammen mit ihnen in den Backofen, auf einem eigenen Blech.
Dann streckte Tessa die Hände aus und stand wartend da, während Elinor einen nassen Lappen holte, um klebrigen Teig oder Mehlstaub abzuwischen.
»Stuhl«, sagte Tessa leise, und Elinor brachte einen Stuhl und stellte ihn neben Nancys an den Tisch, so dass Tessa sich hinsetzen konnte.
»Und vielleicht kannst du uns eine Tasse Tee machen«, sagte Tessa. »Keine Sorge, wir passen auf deine Leckerlis auf. Wir behalten deine Mäuschen im Auge.«
»Komm, vergessen wir alles, worüber wir geredet haben«, sagte sie zu Nancy. »Standest du nicht davor, ein Kind zu bekommen, als ich zuletzt von dir gehört habe? War es ein Junge oder ein Mädchen?«
»Ein Junge«, sagte Nancy. »Das ist viele Jahre her. Und danach bekam ich zwei Mädchen. Inzwischen sind sie alle erwachsen.«
»Hier drin merkt man gar nicht, wie die Zeit vergeht. Das mag ein Segen sein oder auch nicht, ich weiß es nicht. Was machen sie denn?«
»Der Junge …«
»Welchen Namen hast du ihm gegeben?«
»Alan. Er hat auch Medizin studiert.«
»Er ist Arzt. Das ist gut.«
»Die Mädchen sind beide verheiratet. Alan ist übrigens auch verheiratet.«
»Und wie heißen sie? Die Mädchen?«
»Susan und Patricia. Beide sind Krankenschwestern geworden.«
»Du hast hübsche Namen ausgesucht.«
Der Tee wurde gebracht – offenbar stand hier stets ein Kessel mit kochendem Wasser bereit –, und Tessa schenkte ihn ein.
»Nicht das beste Porzellan auf der Welt«, sagte sie und nahm für sich eine etwas angeschlagene Tasse.
»Macht doch nichts«, sagte Nancy. »Tessa. Erinnerst du dich daran, wozu du früher fähig warst? Du warst fähig … Du wusstest von Dingen. Wenn Leute Dinge verloren hatten, warst du fähig, ihnen zu sagen, wo sie waren.«
»Oh nein«, sagte Tessa. »Ich habe nur so getan als ob.«
»Ausgeschlossen.«
»Es quält meinen Kopf, darüber zu reden.«
»Entschuldige.«
Die Oberschwester erschien in der Tür.
»Ich will Sie nicht bei Ihrem Tee stören«, sagte sie zu Nancy. »Aber wenn es Ihnen nichts ausmacht, kurz bei mir vorbeizukommen, wenn Sie fertig sind…«
Tessa wartete kaum, bis die Frau außer Hörweite war.
»Das ist, damit du dich nicht von mir zu verabschieden brauchst«, sagte sie. Sie schien sich dem Genuss eines altbekannten Witzes hinzugeben. »Das ist so ein Trick von ihr. Jeder kennt ihn. Ich wusste, dass du nicht gekommen bist, um mich mitzunehmen. Warum solltest du?«
»Es hat nichts mit dir zu tun, Tessa. Aber ich habe eben Wilf.«
»Ja.«
»Er verdient es. Er ist mir ein guter Ehemann gewesen, so gut er nur konnte. Ich habe mir geschworen, dass er nicht in eine Anstalt muss.«
»Nein. Nicht in eine Anstalt«, sagte Tessa.
»Oh. Wie dumm von mir.«
Tessa lächelte, und Nancy sah in diesem Lächeln dasselbe, was ihr schon vor vielen Jahren Rätsel aufgegeben hatte. Nicht unbedingt Überlegenheit, sondern ein außergewöhnliches, ungerechtfertigtes Wohlwollen.
»Es war lieb von dir, dass du mich besucht hast, Nancy. Wie du siehst, habe ich meine Gesundheit behalten. Wenigstens etwas. Du schaust besser bei der Frau vorbei.«
»Ich habe nicht die Absicht, bei ihr vorbeizuschauen«, sagte Nancy. »Ich werde mich nicht davonstehlen. Ich habe fest vor, mich von dir zu verabschieden.«
So gab es jetzt keine Möglichkeit mehr, die Oberschwester nach dem zu fragen, was Tessa ihr erzählt hatte, und sie wusste auch gar nicht, ob sie überhaupt danach fragen wollte – es kam ihr vor wie ein Herumschnüffeln hinter Tessas Rücken, und es konnte zu einer Vergeltungsmaßnahme führen. Man konnte nie wissen, was an einem solchen Ort zu Vergeltungsmaßnahmen führte.
»Sag nicht auf Wiedersehen, bevor du eine von Elinors Mäusen probiert hast. Elinors blinde Mäuse. Sie möchte, dass du eine probierst. Sie mag dich jetzt. Und keine Sorge – ich passe auf, dass ihre Hände immer sauber sind.«
Nancy aß die Maus und sagte Elinor, sie habe gut geschmeckt. Elinor willigte ein, ihr die Hand zu geben, und dann tat Tessa dasselbe.
»Wenn er nicht tot wäre«, sagte Tessa in ganz robustem und vernünftigem Ton, »warum hätte er dann nicht herkommen und mich holen sollen? Er hat es versprochen.«
Nancy nickte. »Ich werde dir schreiben«, sagte sie.
Und sie hatte es auch ernsthaft vor, aber gleich nach ihrer Rückkehr verschlechterte Wilfs Zustand sich gravierend, außerdem verstörte dieser Ausflug nach Michigan sie um so mehr, je
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